Jesus Walking On Screen. Jesus im Film 1898 – 1993
JESUS WALKING ON SCREEN. Viel strapaziert, oft verkauft, meist verhöhnt. Nicht nur in den Breitwand-Einöden des Gelobten Landes, auch auf anderen Kontinenten und unter anderen Rahmenbedingungen als dem des Neuen Testaments und des Bibelfilms kreuzt er die Leinwand. Das Genre von den Beschränkungen, die ihm die einschlägigen Kompendien meist auferlegen, zu befreien: in einer Retrospektive Filme zu zeigen, die Jesus (oft nur in Form kurzer Gastauftritte) in andere räumliche, zeitliche und stilistische Koordinatensysteme einbetten: Das versucht diese Retrospektive zum ersten Mal.
Erste historische Gehversuche, darunter das – in New York gedrehte – "Passion Play of Oberammergau" aus dem Jahr 1898 oder der erste große Bibelfilm "From the Manager to the Cross" (1913, Regie: Sidney Olcott) stehen neben Hollywoods Epen in Cinemascope und Technicolor.
Michael Brynntrups deutsches Super-8-Kollektiv-Epos "Jesus-Der Film" (1985/86) konkurriert mit George Stevens vor lauter US-Stars schier überbordender "Greatest Story Ever Told" (1965).
Erleuchtete Experimente von Robert Frank ("The Sin of Jesus", 1961), Kenneth Anger ("Scorpio Rising", 1963) oder Daina Krumins ("Divine Miracle", 1973) stellen sich ebenso der vorurteilsfreien Begutachtung wie die klassischen Skandale, die Ken Russel mit "The Devils" (1971) oder Jean-Luc Godard mit "Je vous salue, Marie" (1983) entfachten.
Jesus in Ottakring, Montreal, Seoul, New York: An Orte ist sein Erscheinen nicht gebunden. Zwei Regisseure – D. W. Griffith und Pier Paolo Pasolini – sind gleich mit jeweils drei Arbeiten vertreten: Versuche, individuelle Kontinuitäten und Brüche im Umgang mit der Ikonographie festzumachen. Auch die großen Jesus-Filme von Cecil B. DeMille ("The King of Kings", 1927), Roberto Rossellini ("Il Messia", 1975) und Martin Scorsese ("The Last Temptation of Christ", 1988) dürfen nicht fehlen.
Angesichts eines ungeheuer großen Schaffenskomplexes ist JESUS WALKING ON SCREEN naturgemäß ein sehr subjektives Unterfangen. Dennoch schreckt diese Ausstellung vor Abschweifungen in jesus-freie, wenn auch dem Duktus der Jesus-Filme verwandten Zonen nicht zurück.
"Hallelujah" (1929) von King Vidor erzählt eine Ballade aus dem schwarzen Baumwollpflücker-Milieu mit Anklängen an die Heilsgeschichte; der Kubaner Tomás Gutiérrez Alea arrangiert in "La Ultima Cena" (1976) rund um einen despotischen Großgrundbesitzer eine Karikatur des letzten Abendmahls; ein Hohelied selbstlosen Leidens ist Veit Harlans melodramatisches Meisterwerk "Opfergang" (1944); in Roger Cormans chaotischem Katastrophen-B-Picture "Gas-s-s-s!" (1970) darf der Erlöser nur im Off mit seinem Vater diskutieren. Andrey Tarkowskij stellt seinen "Andrej Rubljow" (1971) hinter die Folie einer Ikone der Heiligen Dreifaltigkeit. Besonders freuen darf man sich auf die österreichische Erstaufführung von "The Rapture" (1991), einer weiblichen Heilssuche im Amerika der Jetztzeit, virtuos in Szene gesetzt von Michael Tolkin, dem Autor von Robert Altmans "The Player".
Insgesamt 42 Produktionen aus 12 Ländern und eine seperate Vorführung von Jesus-Musikvideos im Foyer des Wiener Stadtkinos sollen vor allem eines erwecken: Interesse an Geschichten, die man, im Wissen um den roten Faden aufmerksamer, manchmal vielleicht skeptischer auf sich einwirken läßt.
Filme von Tomás Gutiérrez Alea, Kenneth Anger, Denys Arcand, Martin Arnold, Frank Borzage, Luis Buñuel, Michael Brynntrup, Roger Corman, Cecil B. DeMille, Abel Ferrara, Robert Frank, Samuel Fuller, Jean-Luc Godard, D. W. Griffith, Veit Harlan, Derek Jarman, Reinhard Jud, Henry Koster, Daina Krumins, André Maitre, N.N., Sidney Olcott, Manoel de Oliveira, Pier Paolo Pasolini, Wilhelm Pellert, Nicholas Roeg, Roberto Rossellini, Ken Russell, Hans Scheugl, Martin Scorsese, George Stevens, Andrej Tarkowskij, Michael Tolkin, Peter Tscherkassky, Blair Underwood, King Vidor, Henry C. Vincent, Son-U-Wan und Chang Son-U.
Musikvideos u.a. von Mercury Rev, Jesus Lizard, Birthday Party, R.E.M., Ultra Vivid Scene, Depeche Mode, Sepultura, Sound Garden, God Bullies.
Programm und weitere Information siehe downloads
Ein gemeinsames Programm von sixpackfilm und Stadtkino
Konzept und Text des Programmes Claus Philipp
Organisation der Filmreihe Gabriela Mühlberger in Zusammenarbeit mit Brigitta Burger-Utzer (sixpackfilm)