This publication offers a selective retrospective of the work of photographer and filmmaker Friedl Kubelka--known as a filmmaker under the name of Friedl vom Gröller. In addition to a selection of her fashion photographs, the book focuses on portraits of her friends and family, as well as series of images and films.
Kubelka started on her long-term project, "Year's Portraits," in 1972: she photographed herself on a daily basis over a period of one year - a process that has been repeated every five years since. This conceptually-structured work on the subject of self-portraiture produces a complex picture of a woman's search for her own identity by alternating exaggerated poses of female self-representation with documents of personal retreat. Through the choice of staging and props, minor adventures and personal experiences are hinted at; the individual photographs seem to link up to form a film running at a rate of one frame per day.
Among the artist's portrait subjects are Franz West, Walter Pichler, Peter Kubelka, as well as central protagonists of the American Independent Cinema such as Jack Smith, Bruce Conner, Hollis Frampton, Kenneth Anger, Jonas Mekas, George and Mike Kuchar, and many more. Most of the images gathered together here are published for the first time in book form.
(Dietmar Schwärzler)
INTIM UND IRRITIEREND
Wiewohl Friedl Kubelka seit über vierzig Jahren als Fotokünstlerin und Filmemacherin tätig ist und vor fast einem Vierteljahrhundert ihre Schule für Künstlerische Fotografie in Wien ins Leben rief, ist sie einem breiteren Publikum nicht wirklich bekannt. Ob das ihrer Unangepasstheit und Kompromisslosigkeit zuzuschreiben ist, ihrem Engagement als Medienvermittlerin oder ihrer Rolle als Frau innerhalb eines männlich dominierten Kunstbetriebs, als langjähriger „Frau von Peter Kubelka“ zudem? Jedenfalls waren ihr nach einer Personale im Pariser Centre Pompidou 1980 nur einige wenige Ausstellungen und schmale Kataloge gewidmet. Nach der längst anstehenden Werkschau 2011 im Linzer Kunstmuseum Lentos, die mehrere Fotoserien mit einer Auswahl von Kurzfilmen konfrontierte, sucht die vorliegende Publikation dem nun endlich Rechnung zu tragen. Angelegt als künstlerisch-konzeptuelles Buch in der Edition von Christoph Keller, bildet es zugleich eine gute Grundlage für weiterführende wissenschaftliche Auseinandersetzung und für die internationale Kontextualisierung dieser so eigenwilligen Position. Durchgehend auf Englisch verfasst bietet diese „selektive Retrospektive“, wie der Herausgeber Dietmar Schwärzler sie ganz bescheiden nennt, einiges an unpubliziertem Material, inklusive einer Kompilation von 18 digitalisierten Filmen.
Dass das Selbst- wie Medienreflexive im Zentrum von Kubelkas Schaffens steht, signalisiert bereits eindringlich das Coverbild: Das Porträt der Künstlerin als junger Frau, in dem die gespiegelte Kamera als metonymische Selbstrepräsentation der Fotografin fungiert. Die „unheimliche Ausstrahlung [ihres] kleinen schwarzen Apparates“ suchte sie sich bald zunutze zu machen – als Maske oder Mauer, als Störfaktor oder Statussymbol, als Schmuck oder als Eintrittsbillet in bestimmte Milieus. Wozu andere Menschen sich durch eine Kamera bringen lassen und welche psychologische Funktion sie auch in Bezug auf das Ego auszuüben vermag, treibt sie beim Bildermachen seit je als Frage an.
Im Kontext dieser konzeptuellen Praxis erscheint die Reflexion über den eigenen Namen nur konsequent: Signierte sie ihre frühesten Fotos mit ihrem Mädchennamen Bondy, den sie nach der Heirat mit dem Avantgardefilmemacher Peter Kubelka 1978 als Teil des Doppelnamens beibehalten hatte, so nannte sie sich als Fotografin zunehmend Friedl Kubelka – was sie selbst nach ihrer Scheidung bis heute so praktiziert. Als Filmemacherin dagegen wählte sie 2009 im Zuge ihrer Verehelichung mit dem Psychologen Georg Gröller das Pseudonym Friedl vom Gröller. Daran, an der Kontraktion beider Namen für den Titel der Publikation und an einer bewussten Inkonsequenz in der Verwendung wird das Spiel ersichtlich, mit dem Friedl Kubelka aka vom Gröller die lange Zeit gängige Definition von Frauen über ihre Ehemänner überhöht und als Problem von allgemeiner Dimension thematisiert.
Der Suche einer Frau nach ihrer Identität verdankt sich auch Kubelkas bekanntester Werkkomplex der Jahresportraits, ein Langzeitprojekt, das sie 1972 begonnen hat und seither alle fünf Jahre wiederholt. Anfangs nicht in dieser Dimension geplant, bewog sie der Wunsch nach einer Synchronopse zu dieser metrischen Konzeption, in der sie täglich aufgenommene Selbstporträts rasterartig arrangiert. Neben dem Versuch, den eigenen Narzissmus zu überwinden, war ihr die Serie auch Mittel zum Zweck, aus dem verinnerlichten technischen Regelwerk auszubrechen. Teils unscharf oder schlecht belichtet rückte und rückt sie sich in allen Lebenslagen ins Bild, häufig in häuslichem Umfeld, allein oder im Beisein anderer, unaufgeräumt und übellaunig, halb nackt oder ganz. In den Tagesportraits, die im Viertelstundentakt entstanden, wandte sie diesen Aufnahmemodus auf ihr nahe stehende Menschen wie Franz West oder Heidi Harsieber an. Spezifisch für Kubelkas streng konzeptuelle Vorgangsweise sind ihre eigene physische Präsenz innerhalb des fotografischen Settings und die damit einhergehende psychische Intensität.
Friedl Bondys Werdegang gleicht dem vieler österreichischer FotografInnen ihrer Generation: Nach einiger Phase unglücklicher Berufstätigkeit entschied sie sich mit 21 Jahren für eine Ausbildung an der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, die damals, Mitte der 1960er Jahre (und noch lange darüber hinaus), als einzige Institution von staatlicher Seite diese Möglichkeit bot. Auch wenn ihr der dort vermittelte handwerkliche Professionalismus in vieler Hinsicht hilfreich war – von 1971 bis 1977 betrieb sie ihr eigenes Porträtatelier –, wandte sie sich doch bald radikal von den Konventionen des Gewerbes ab. Ihre seit den späten Sechzigern entstandenen Modeaufnahmen bezeugen denn auch den experimentellen, subkutan sexualisierten Blick der jungen Fotografin. Angeregt vom damals stilprägenden deutschen Jugendmagazin twen und dessen dank Willy Fleckhaus bildgestalterisch innovativem Erscheinungsbild wagte sie zunehmend, ihren eigenen, sehr freimütigen Zugang zur Porträtfotografie zu formulieren. Vielmehr als Bildnisse von Individuen denn als Inszenierungen von Mode und ihren Accessoires wirken nämlich die Auftragsbilder, für die Friedl Bondy meist auch FreundInnen als Modelle engagierte. Mangels eines Studios und entsprechenden Equipments fanden die Aufnahmen im Freien oder in öffentlichen Räumen statt, etwas linkisch immer, in ihrer vorgeblichen Unzulänglichkeit und Naivität durchaus provozierend. Damals nicht selten von ihren Auftraggebern als „zu extrem“ abgelehnt, wirken die bisweilen verstörenden Bilder heute erstaunlich zeitgemäß. Gern hätte Friedl Kubelka als Modefotografin gearbeitet, sie vermochte jedoch nicht, die von Kundenseite gewünschten Anforderungen zu erfüllen. Aus diesem Unbehagen und der Neugierde, zu sehen, wie es anderen durchaus gelungen war, ihren eigenen Stil gegen bestimmte Konventionen durchzusetzen, organisierte sie 1990 an der Hochschule für angewandte Kunst die äußerst erfolgreiche Vortragsreihe „Modephotographie und/oder Kunstphotographie“, wo etwa Oliviero Toscani, Bettina Rheims, Sarah Moon und F. C. Gundlach referierten.
Vom dekonstruktivistischen Potenzial ihrer Fotografien zeugt auch die 1973/74 entstandene rotschummrige Serie der Pin-Ups, für die sie sich in Pariser Stundenhotels schlich – vorgebend, der Mann käme noch nach. Getrieben vom erotischen Kitzel und einer gewissen Obsession, ihre eigene Softporno-Strecke aufzunehmen und sie in Männermagazinen wie Playboy oder Lui zu publizieren (wozu es leider nie kam), inszenierte sie sich in der Boudoir-Atmosphäre in schwarzen Dessous. Die Spiegel an den Wänden und am Plafond gestatten ihr das Kokettieren mit der eigenen körperlichen Attraktivität aus gleichermaßen exhibitionistischer wie voyeuristischer Position. Über die stets vor das Gesicht gehaltene Kamera und eine Bildstruktur, die minimal vom Genreüblichen divergiert, opponiert sie gegen ebendieses. Das im Zuge der damaligen zweiten Welle der Frauenbewegung entwickelte konzeptuelle Vokabular zugunsten einer neuen Körperpolitik leitete sich von Methoden strukturalistischer Sprachwissenschaft und der Psychoanalyse ab. Die von einer psychoanalytischen Ausbildung flankierte, vorwiegend um das Porträt zentrierte künstlerische Praxis Friedl Kubelkas ließe sich so gesehen über feministisch-repräsentationskritische bzw. filmtheoretische Texte wie jene von Laura Mulvey noch viel präziser konturieren.
Diesbezüglich wertvolle, anregende Vorarbeit leisten Melanie Ohnemus und Andréa Picard in ihren luziden Textbeiträgen im Buch, das ein sehr persönliches, ja unverblümtes Gespräch von Dietmar Schwärzler mit Friedl Kubelka / vom Gröller rundet. „Je älter ich werde, desto weniger verstecke ich mich“, meint diese an einer Stelle. Insbesondere gilt das für ihre meist nur zwei, drei Minuten langen Filme, in denen sie von vornherein eine wesentlich saloppere Haltung kultivierte. Die Aufnahmen ließen sich als Séancen sehen, in denen das Medium Film als solches in Erscheinung tritt. Irgendwann begann sie selbst als Kamerafrau mit den vor dem Objektiv Platzierten zu interagieren, überfallsartig teils und impulsiv, durch eine Ohrfeige, einen Kuss, ein kurzes sich-an-die-Wange-Schmiegen – was je entsprechende Regungen der Mimik evoziert. Jüngst lud sie, mittlerweile 60-jährig, ihr unbekannte Männer mahgrebinischer Herkunft in ihr Pariser Appartement, um deren jeweilige Reaktion auf ihren spontanen Striptease aufzunehmen. Den Gipfel anarchischen Humors erreicht sie wohl in Passage Briare (2009), wo sie sich schäkernd zu einem Ganoventyp gesellt, dann so unverhofft wie ungeniert ihren Zahnersatz erst aus dem Ober-, dann aus dem Unterkiefer nimmt und sich, sichtlich amüsiert, in die Mundhöhle blicken lässt: Wer nicht mit ebensolcher Haltung älter werden möchte!
Ulrike Matzer in Fotogeschichte , 04.2014
Privatvergnügen
Die widerspenstigen Menschenbilder der Künstlerin Friedl Kubelka
von Stefan Grissemann (Profil, 8.4.2013)
Intimität und Distanz gehen im Werk der Künstlerin Friedl Kubelka eigenartige Mischverhältnisse ein. Ihre Fotografien und Filme, in denen Menschen den Blick der Kamera meist sehr entschieden erwidern, halten die Balance zwischen Vertrautheit und Unnahbarkeit. Sie sind mysteriös, dabei alles andere als künstlich verrätselt; sie verführen, ohne zu idealisieren. Vorteilhaft muss hier niemand aussehen (vor allem mit sich selbst geht die Fotografin gern hart ins Gericht) schön sind gerade deshalb viele derer, die sie seit 1963 abgelichtet hat, dennoch.
Dabei kennt sie auch die andere, die kommerzielle Seite ihrer Kunst. Als Modefotografin arbeitete sie in den 1970er-Jahren, auch auf kreativen Fotojournalismus hätte sie damals Lust gehabt.
Um 1977, so erinnert sie sich, habe sie profil kontaktiert und angeboten, Politiker per Serienfotografie abzubilden. Man könne sich doch, wenn man einen Menschen nicht auf einen einzigen Gesichtsausdruck festnagle, ein viel genaueres Bild von diesem machen, argumentierte sie. Ihr Ansinnen wurde abgewiesen eine solche Idee sei nicht umzusetzen, ein Politikerporträt müsse mit großem, repräsentativem Foto erscheinen. So blieb sie mit ihrer Methode bei der Kunst: Mit ihren vielteiligen Tagesporträts rückt sie seit 1974 Freunden, ihrer Familie, Künstlern, auch Kindern, einmal sogar einem Esel zu Leibe. Ihre Jahresporträts, die sie seit 1972 im Fünf-Jahres-Rhythmus anfertigt, sind konzeptuell aufwändiger: Ein ganzes Jahr lang fotografiert Friedl Kubelka sich dafür täglich selbst, egal wo, daheim oder auf Reisen, am Fenster, im Bett, bei der Arbeit, öffentlich, privat. Erst vor wenigen Tagen hat sie ihr neuntes Jahresporträt abgeschlossen.
Angst vor zu viel Anerkennung
Das menschliche Gesicht interessiert mich am allermeisten, mehr noch als der Körper, stellt sie fest: In meinen Filmen geht es darum, ein Gefühl entstehen zu sehen in den Gesichtern derer, die ich filme. Meine Fotos sind insofern problematischer, als ich dort ein Gefühl nur festhalten kann. Inzwischen nehme sie die filmische Arbeit, die sie 1968 begonnen hat (und zwischen 1974 und 1993 auf Eis legte), sogar wichtiger als die Fotografie. Die Länge des Materials definiert die Dimension ihrer Werke: Eine Rolle 16mm-Film dauert knapp drei Minuten, das ist das Zeitmaß jeder meiner Arbeiten. Ihre Kinowerke sind in der Regel ungeschnitten, bereits in der Kamera montiert weil ich das Chaos nicht aushalte, wenn ich einen Film einmal zerschnitten habe. Für ihre bewegten Bilder hat sich Kubelka 2009 einen neuen nom de guerre gegeben: Friedl vom Gröller, abgeleitet von ihrem Mann, dem Psychoanalytiker Georg Gröller.
Ein stattliches, von Dietmar Schwärzler ediertes Buch, das Hunderte Fotoarbeiten (und per beigelegter DVD auch 23 ihrer kurzen Filme) reproduziert, wird diese Woche in Wien vorgestellt. Das Cover zeigt das erste Selbstporträt, ein Spiegelbild der 19-jährigen Künstlerin, die mit seltsam abgeklärtem Blick ihre zweiäugige 6x6-Rolleiflex-Kamera bedient, mit der sie übrigens heute noch arbeitet. Die Skepsis ist ihr geblieben, aber auch die unbedingte Fähigkeit zur Leidenschaft, eine ungewöhnliche Mischung aus Selbstkritik, Scheu und Durchsetzungsvermögen. Sie lege Wert auf das Fehlerhafte in ihren Werken auch weil sie Angst davor habe, dass zu viel Anerkennung mich von meinem spielerischen Umgang mit Film ablenken könnte. Ich setze alles daran, mich vom Erfolg unabhängig zu machen, versuche, Erwartungshaltungen nicht zu entsprechen und will von der Kunst auch nicht leben müssen. Es falle ihr ohnehin äußerst schwer, sich von ihren eigenen Werken zu trennen. Meine künstlerische Arbeit muss unbedingt ein privates Vergnügen bleiben, ähnlich wie der Liebesakt: Den sollte man auch nicht zu öffentlich machen, sonst liefe er Gefahr, sich entscheidend und nicht zum Besseren zu verändern.