* 1929, Austria
Kurt Kren was born in Vienna in 1929 to a German mother and an Austrian father of Jewish decent. In 1939 the ten-year-old was sent via „Kindertransport“ (organized by the British Refugee Children Movement) to Rotterdam. In 1947 Kren returned to Vienna and was given a job at the National Bank by way of reparation. Shortly afterwards associated with members of the Art-Club, a circle of progressive artists. In 1955 Kren bought his first Regular 8 camera and became a member of an amateur filmmakers’ club, Klub der Kinoamateure. Some of his first artistic experiments with film were made in collaboration with the poet Konrad Bayer. As of 1957 Kren created his first 16mm film and in 1960 made his first serial montage film of many to follow. It is due to these early serial works that Kren is considered one of the most influential pioneers of structural filmmaking. From 1964 through 1966 Kren made films based on “material actions” staged by Otto Muehl and Günter Brus performed exclusively for Kren and several photographers. In 1966 he participated in the Destruction in Art Symposium in London, during which the Viennese Actionists made their first international appearance. In 1968 Kren took his first trip to America to present his films in New York and St. Louis. In the same year, he was wrongly accused of filming the scandalous Action Art and Revolution staged at the University of Vienna, directly leading to the termination of his bank job. In 1971–1976 Kren lived in Cologne. 1972–1973 he produced a series of 5 boxes, each containing a super 8 print of one of his films, a copy of its handwritten score and several stills. In 1976 he moved to Munich, participated in Kassel’s documenta 6 in 1977, and emigrated to the US in 1978. In 1979 Kren married Marnie Rogers and they lived for a few months in Europe on a DAAD scholarship. After returning to America they divorced in 1980 and Kren moved to California, without a steady address and sometimes living out of his car. In 1981 he worked with a group of housewreckers in New England, making money from the wood they salvaged. Kren subsequently moved to Austin and then relocated to Houston, Texas. From 1983 to 1989 Kren worked as a security guard at the Museum of Fine Arts in Houston. His films were presented in many different cities and prints sold to numerous international collections. In 1989 Kren returned to his homeland and was provided an apartment and a small pension by the Austrian government. In 1997 he worked as an actor and cinematographer for Christoph Schlingensiefs’ Die 120 Tage von Bottrop.
Co-founder of the Vienna Institute of Direct Art (1966) and of the Austria Filmmakers Cooperative (1968). Member of the Vienna Secession, the London Filmmakers’ Coop (1967), the New York Film-Makers’ Cooperative (1968), P.A.P. Munich (1969) and of the Assembly of Authors in Graz. His work is distributed by sixpackfilm (Vienna), Light Cone (Paris), LUX London, Canyon Cinema (San Francisco) and New York Film-Makers’ Cooperative. Kurt Kren died in 1998.
Hans Scheugl & Ernst Schmidt jr. über Kurt Kren (Article)
Die ersten sieben Filme sind nach bestimmten Reihentechniken aufgenommen. In 48 Köpfe aus dem Szondi-Test werden Fotos von Köpfen, entnommen dem Szondi-Test (experimentelle Triebdiagnostik), jeweils 1-8 Kader lang nach einem genauen Schema gefilmt, die Reihe (je75 Sekunden) dreimal durchgefilmt, davon einmal verkehrt. In diesem Film, im Gegensatz zu den meisten anderen, ist der Rhythmus der seriellen Montage stark spürbar; das liegt an der Starre und Gleichartigkeit der Bilder. In Bäume im Herbst hingegen bewirkt die rasche Montage kahler Äste und Bäume ein unbestimmtes Fließen, und erst bei mehrmaligem Sehen wird der Schnittrhythmus faßbar. In Mauern-Positiv-negativ und Weg wiederum ordnet sich die serielle Schnittechnik dem primären optischen Eindruck, nämlich dem Wechsel von positiven und negativen Bildern, unter.
Noch stärker tritt die Reihentechnik in Fenstergucker, Abfall, etc. und in den ersten beiden Filmen mit Materialaktionen von Otto Mühl hinter dem Bildlichen zurück. Wenn man die Filme vergleicht, zeigt sich, daß Kren das Serielle der Montage nie zum bestimmenden Merkmal seiner Filme machte, sondern stets dem Inhalt des Films, d. h. dem Bildinhalt unterordnete (daher können die Filme nur unzureichend mit serieller Musik verglichen werden). Auffallender als der wechselnde Schnittrhythmus ist die Technik des Kurzschnittes, die in Krens Filmen bis 1966 vorherrscht. Eine Einstellung kann bis zu einem Kader (1/24 Sekunde) kurz sein. Der rasche Wechsel der Bilder bewirkt, daß das Auge sich am einzelnen Bild nicht festsaugen kann und dessen ästhetische Beurteilung entfällt. Der Bildeindruck ist nach Film verschieden.
In 48 Köpfe aus dem Szondi-Test erweckt der rasche Wechsel von Gesichtern und Ausschnitten daraus stellenweise den Eindruck einer Animation, etwa daß ein Auge oder Mund sich bewegt. In Bäume im Herbst entsteht aus dem HelldunkelKontrast der Äste ein nahezu abstraktes, zuckendes Bild, das zusammen mit dem synthetischen Ton (gezeichneter Lichtton), der ähnlich wie Donner klingt, einen beunruhigenden Eindruck erweckt.
In den verfilmten Materialaktionen Mühls tritt der Bildinhalt stärker in den Vordergrund. Mühl überschüttet nackte Modelle mit Farbe, Lebensmitteln, Flüssigkeit etc. und arrangiert bestimmte Aktionen. O Tannenbaum z. B. ist ein "anarchistisches Manifest gegen das Weihnachtsfest". In Cosinus Alpha entsteht an zwei weiblichen, mit Farbe überschütteten Aktmodellen der Eindruck lesbischer Aktivität. Durch den Kurzschnitt der farbigen Aufnahmen wird eine Ästhetisierung vom Bildinhalt her vermieden, was bei einer planen Abfilmung sicher nicht so gewesen wäre. Die Reaktion auf die ästhetischen und erotischen Bilder wird mit jedem Schnitt unterbunden; der Film vermittelt dadurch jene Beunruhigung, die in den Aktionen ursprünglich intendiert war. Durch diese rigorose Materialbehandlung verhindert Kren eine rezeptive Konsumentenhaltung, die entsteht, wenn durch die technische Reproduktion das unmittelbare Beteiligtsein an der Aktion entfällt. Während der "Skandal"-Effekt der Materialaktionen heute fast verschwunden, d. h. überholt ist, teilt sich die formale Organisation des Films noch gleich stark mit.
Mit Ana-Aktion Brus geht Kren dazu über, den Schnitt hauptsächlich in der Kamera herzustellen. Das geschieht mit solcher Sicherheit, daß manche Filme (besonders Bild Helga Philipp und Grün-Rot) wirken, als wären sie wie die ersten Filme nach einem komplizierten Schnittschema montiert.
Nach freien Rhythmen sind Filme wie Selbstverstümmelung, Sinus Beta, 20. September geschnitten, d. h. hier wurde das Negativ geschnitten. Eine Reihentechnik bestimmt die Montage von TV. Sie ist jedoch nicht seriell, denn sie resultiert aus dem Bildmaterial. Zwei Personen sitzen an einem Tisch in einem Cafe; man sieht nur ihre Silhouetten. Durch das Fenster im Hintergrund erkennt man Kinder und Passanten. Bei starrer Einstellung filmte Kren fünf verschiedene Situationen. Durch Mehrfachkopierung wiederholt sich jede Situation einundzwanzigmal. Durch Montage wird ihre Abfolge variiert. Wie 48 Köpfe und Ana einer der perfektesten Filme Krens.
Die Verbindung von Krens Filmen zur bildenden Kunst ergab sich nicht erst mit der Verfilmung von Materialaktionen oder der Rhythmisierung eines Op-Art-Bildes (Bild Helga Philipp). Drei frühe Filme, 3/60, 4/61 und 5/62 zeigen deutlich die Einflüsse der bildenden Kunst jener Zeit. Die auslaufende Richtung des Informel (Tachismus) faßte das nach 1945 entwickelte Materialbewußtsein zusammen: Gerümpelplastiken und Bilder, die aus Material-Collagen bestanden, ließen ihre Wirkung aus ihrer Oberflächenstruktur entstehen. Mit Vorliebe wurde gefundenes Material (Metallteile, Holz, Objekte) verwendet (diese Bilder und Skulpturen bilden einen deutlichen Übergang zur Pop Art). In den drei erwähnten Filmen Krens drückt sich diese Richtung im Bildlichen aus. Kahle Äste, abbröckelnde Mauern, Abfallhaufen, Hausfassaden haben dieselbe anti-ästhetische Oberflächenstruktur wie gefundene Metall- und Holzteile. Durch die Aufnahmetechnik und die Montage vollzieht sich ihre Organisation zur Abstraktion. Die Bäume im Herbst wirken wie ein bewegtes tachistisches Bild. Die Mauerteile in 4/61 wechseln zwischen Positiv und Negativ, was die Plastizität ihrer flachen Oberfläche betont. Auf den ersten Blick willkürlich ist dazwischen mehrmals die Aufnahme einer Totale einer aus größerer Entfernung aufgenommenen Wiese eingeschnitten. Diese Einstellung wurde über einen längeren Zeitraum in Einzelbildschaltung aufgenommen, so daß sich die Schatten rasch verändern und die Menschen sich sprunghaft einen Weg entlang bewegen. In Zusammenhang des Films erscheint diese Landschaft ebenfalls wie ein bewegtes abstraktes Bild.
Auch in Fenstergucker betont Kren die Reduktion auf einfache Bildinhalte, jedoch wird nicht mehr versucht, eine bildliche Abstraktion zu erreichen. Nicht primär zusammengehörende Aufnahmen werden, unter stärkerer Verwendung von Kameratechniken (Schwenks, Unschärfe), durch die Montage in Beziehung zueinander gesetzt. Dieses Prinzip gebrauchte Kren bereits in seinem ersten Film, Versuch mit synthetischem Ton: drei Bilder, ein länglicher Gegenstand (ein Kaktus), ein glänzender Gegenstand , der sich später als Revolver herausstellt, und eine Ziegelmauer werden dort gegeneinander montiert. Die banalen Bildinhalte bilden in diesen Fällen das Rohmaterial, das im Filmstreifen bearbeitet, d. h. geschnitten wird. Der Übergang von der Tafelbildmalerei zur Malerei, die sich in den Materialaktionen auf den Raum und den menschlichen Körper ausdehnt, kommt sehr schön in Ana zum Ausdruck. Brus beschmierte in dieser Aktion ein weibliches Aktmodell mit Farbe, schüttete Farbe auf die weißen Wände, demolierte ein Fahrrad etc. Der Film ist extrem kurz geschnitten, so daß ein Konzentrat der Aktion entsteht, wodurch die Abstraktion, die noch in dieser Aktion liegt, deutlich herauskommt; besonders wenn Kren die schwarzen Spritzer an der Wand zu einer abstrakten Bildfolge montiert.
Längere Einstellungen betonen in Selbstverstümmelung den dramatischen Bildinhalt: Brus wälzt sich auf dem Boden, den ganzen Körper mit Teig und Mehl bedeckt, umgeben von Rasierklingen, Nägeln, Mauerhaken etc., wodurch der Eindruck von Gewalttätigkeit entsteht. Radikaler ist 20. September, wo Günter Brus in Großaufnahme zu sehen ist, wie er ißt, trinkt, uriniert und exkretiert, und diese Handlungen gegeneinander geschnitten sind. Mit Grün-Rot kehrte Kren noch einmal zur Abstraktion von Bäume im Herbst zurück. Er nimmt in Großaufnahme eine Bierflasche auf, deren Hals abgebrochen ist. Kurz montiert, erzeugen die ruckartig bewegten Bilder nicht jene distanzierte Kühle der frühen Filme, sondern vermitteln durch die Farbe eine stark sinnliche Qualität.
Mit Kurdu initiierte Kren einen Kollektivfilm. Für einen Dollar konnte jeder, der wollte, 10 Kader stiften, die beliebig aneinander gereiht werden sollten.
Die ironische Haltung Krens zeigt sich in seinen Arbeiten von 1968. Sie ergibt sich zum Teil aus dem Titel. Venecia kaputt ist kurz und bündig nur einen Meter lang. Danke ist das Projekt für einen Pornozug-Verkehrsunfall. Und in Happy End werden die Voyeurgelüste der Zuschauer ständig frustriert. In Schatzi stellt sich der im Titel Gemeinte als Nazioffizier heraus, der vor einem Berg Leichen steht. Sein Bild (ein Foto) taucht kurz wie aus einem Nebel auf. Kren erreichte diesen Effekt, indem er drei übereinanderliegende Dias (Positiv, Negativ, überbelichtetes Positiv) desselben Bildes aufnahm und die Dias stets leicht bewegte. Takahiko Iimura weist darauf hin, daß dieser Film nicht als "bewegtes Bild" (motion picture), sondern mit dem im Japanischen gebräuchlichen Ausdruck "reflektiertes Bild" bezeichnet werden sollte. Ähnlich wie in Happy End, wo ein auf eine Leinwand projizierter Film abgeschwenkt wurde, tastete Kren in Western einen Poster (My Lai Massaker) ab. Hier allerdings ganz nah, so daß der Bildinhalt des Posters sich erst nach einer Weile mitteilt. Ob durch solche Techniken oder durch Kurzschnitt - Krens Filme sind stets Reflexionen auf einen Wirklichkeitsbegriff, den sie in Frage stellen. Die Wirkung ist bei einfachsten Mitteln maximal.
(Hans Scheugl/Ernst Schmidt jr. (Hrsg.): Eine Subgeschichte des Films, Lexikon des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms, 1. Band, ffm, 1974)
Regina Cornwell on Kurt Kren
Little has been written about Kren. One of the first analytical pieces - "Kurt Kren" by Malcolm Le Grice, published in the Nov.-Dec. 1975 Studio international - identifies Kren's three periods: the first, from 1957 to 1962, consists of formal works; the second, from 1964 to 1967, reflects the influence of the performance "actions" of Otto Muehl and Gunter Brus; the third, from 1967 to 1975, marks a return to formal concerns, coupled with collaborative projects involving Otto Muehl. Between 1975 and the present, Kren has continued working in a formalist vein, all the while incorporating elements of his older systems and themes.
Kren's rigorous use of montage characterizes his formal works. Consequently many of Kren's films utilize a limited number of shots which are repeated in various combinations and lengths. (Regina Cornwell, The Other Side: European Avant-Garde Cinema 1960-1980, 1983)