Tranquility
Sun, beach, the sea: Most people associate them with carefree days off work, being freed of civilizationís demands. In Siegfried Fruhauf´s Tranquility an image of a woman lying on her back in the sand, next to her an abandoned beach toy and nothing but sun and wind above, represents the point of departure for an adventurously long journey, one produced by the film material to be found here. Tranquility could be regarded as a vacation daydream, a record of a flight of fantasy fluttering away, limitless consciousness raising which ends in a state of total relaxation, presumably like that of the woman on the beach. The transitions between the individual images take place on all the pathways on which the consciousness works with meanings: linguistic, visual, acoustic. The Sea of Tranquility, where the first humans set foot on the Moon, is no more than a mental leap away in tranquility also. The plane, the majestic takeoff of which Fruhauf shows in a silent sequence, moves away from the woman on the beach (if anyone is still thinking about her at this point) like a gigantic floating palace, and one could say that Tranquility is also a film which should be seen as a flight from material to material, the crossing of a castle in the air constructed under the great sun of the exposure. The here and there are separated by the feverish dream of a radiated force that leaves traces of the world in the film´s images. A sea of tranquility, though its waves can surge ecstatically at any time.
(Bert Rebhandl)
Tranquility seems almost like a sequel. Once again it shows an anonymous girl on a beach and in the water, who is threatened by black streaks, slowed shots of flying planes and floating figures, at first accompanied by the famous radio message that Neil Armstrong and his colleagues sent to Earth from the gray moon in 1969. Tranquility is about flying, the state of weightlessness, and it also calmly documents Siegfried A. Fruhauf’s love letter to his medium: Cinema could be considered a minor matter, something to be taken for granted – for the members of humankind that still have little clue as to what they have in it, it represents something huge.
(Stefan Grissemann)
"Mir geht es nicht um Kunst, sondern ums Leben" /Interview derStandard, 28.10.2010 (Interview)
EXPERIMENTALFILMER FRUHAUF
Die Viennale 2010 würdigt den österreichischen Experimentalfilmemacher Siegfried A. Fruhauf mit einem Spezial Dominik Kamalzadeh sprach mit ihm über Zwänge, Festivalräusche und die Kraft des Kinos.
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STANDARD "Tranquility", Ihr neuester Film entstand über einen längeren Zeitraum hinweg - wie kann man sich diesen Arbeitsprozess vorstellen?
Fruhauf Es gibt kein Rezept, sondern nur den Umgang mit Material - eine reduzierte, fast trashige Arbeitsweise, bei der sich verschiedene Techniken verschränken. Bei Tranquility sind die ersten Kontaktkopien - von 16-mm- Material - vor mittlerweile zehn Jahren entstanden. Man findet Bilder - es ist ja ein Found-Footage-Film - und weiß, da steckt etwas drinnen. Manchmal geht's schnell, dass ich sie zu einem Inhalt verdichte. Das Material liegt dann mal ab, ich schaue es wieder und wieder an, andere Bilder kommen hinzu, und schließlich folgt die digitale Bearbeitung. Am Ende ist es dann eine rastlose, intensive Zeit.
STANDARD Der Film durchläuft verschiedene Stadien - es beginnt mit einer Frau am Strand, es folgen ein Flugzeug, Assoziationen zur Raumfahrt. Geht es um einen Zustand des Schwebens, um eine Entkoppelung von der Schwerkraft?
Fruhauf Ja, mich beschäftigen die Zwänge, die uns dieser Planet auferlegt. Zwänge, die im filmischen Raum aber nicht existieren müssen. Ich will keine Illusion erzeugen, sondern sie eher zerstören - im Sinne von: zeigen, was mit dem Medium alles möglich ist. Der Film ist ziemlich vielschichtig, und es fällt mir inzwischen wesentlich leichter, assoziativ zu arbeiten. Ich habe
nicht mehr das Bedürfnis, erklärbar zu sein. Dadurch wird es künstlerischer.
STANDARD "Tranquility" weist einige Brüche auf, die durch den Ton noch verstärkt werden. Wie verhalten sich Bild- und Tonebenen zueinander? Einmal herrscht sogar vollkommene Stille.
Fruhauf Bei den letzten Arbeiten, bei Palmes d'or und Tranquility, habe ich den Ton selbst gemacht, was ich auch gerne tue. Die früheren Arbeiten waren viel repetitiver angelegt, der Sound konnte dadurch flächiger sein - da ist es leichter, sich den von jemand anderem fertigen zu lassen. Diesmal musste er von mir kommen, weil ich die Arbeit auch niemandem hätte erklären können. Der Vorteil am digitalen Schneiden ist ja, dass man lange herumprobieren kann. Die "Tranquility Base" war übrigens auch der Ort der Mondlandung - ich habe Bücher darüber gelesen, in denen die Stille dort beschrieben wird. Diese Ruhe finde ich total faszinierend.
STANDARD Die Avantgarde hat immer einen Gegner: den Realismus, oder das industrielle Kino. Bei Ihnen klingt es ein wenig so, als ginge es nicht mehr um eine bildliche, sondern um die reale Welt.
Fruhauf Ich kann durchaus sagen, mir geht es nicht um die Kunst, sondern ums Leben. Es gibt zwar viele Aspekte, die mit dem Raum des Kinos spielen: Das Kino hat als Medium das größte philosophische Potenzial. Von dem, was die Welt bedeutet, enthält es am meisten. Und heute ist es ja auch nicht mehr notwendig, dass man die Formen des Kinos aufbricht. Das begegnet uns ja in allen Bereichen.
STANDARD Umgekehrt arbeitet sich "Palmes d'or" am symbolischen Ort des Kinos ab. Gab es die Intention, sich an Cannes ...
Fruhauf ... zu rächen? Es war ein starkes Erlebnis, dort zu sein - das beeindruckt. Und dann denkt man sich: Ganz so ernst nehmen muss man das alles auch nicht. Wenn man etwa sieht, dass die Treppe unter dem Red Carpet aus Pressspannplatten besteht: Das ist die Art von Kontrast, den auch Palmes d'or sucht. Andererseits geht es darum, diese Eindrucksflut zu visualisieren. Darum, die Erinnerung an einen Rausch auf die Leinwand zu bringen.
STANDARD Sie haben über 800 Fotos übereinandergeschichtet.
Fruhauf Ja, die Foto sind im Halbformat aufgenommen, was genau dem Kinoformat entspricht. Ich wollte in jenem Format aufnehmen, das seit Edison das gleiche ist. Dann kommt eine digitale Postproduktion hinzu. Die Abfolge der Bilder wird geschichtet, bis sich die Erinnerung zersetzt. Man kennt das ja von Festivals, dieses Nachrauschen, das Loch danach. Fast ein wenig depressiv. Es ist eigentlich erstaunlich, dass die Palme als Motiv erkennbar bleibt.
STANDARD "Structural Filmwaste 1" ist wiederum ein Film, der vom Analogen ins Digitale führt und damit eine Ablöse beschreibt. Wo verorten Sie sich innerhalb dieser Ablöse?
Fruhauf Sie ist klar in meinem Bewusstsein - sonst würde die Arbeit ja auch nicht so aussehen. Ich sehe mich fast als ein wenig retro, weil die Ablöse ja schon zu einem anderen Zeitpunkt begonnen hat. Die ersten digitalen Schnittplätze sind 1995 gekommen, da bin ich ein wenig zu spät dran. Meine ersten Arbeiten sind auf 16 mm, richtig altmodisch am Schneidetisch entstanden. Das Wichtige war das Medium, das Haptische daran.
STANDARD Klingt da auch noch die avantgardistische Tradition in Österreich nach?
Fruhauf Darauf berufe ich mich definitiv. Man hat alles aufgelöst, bis es bei Peter Kubelka nur noch Schwarz und Weiß gab. Das betrifft die filmische Materialität, die digitale Ebene kommt dann noch hinzu. Nun kann man nicht nur die Abfolge der Bilder strukturieren, ich kann das Bild selbst strukturieren, weil ich Pixels habe, die einer Ordnung unterzogen werden können. Der Verlust betrifft allein das Materielle. Wir können ja alle schwer damit umgehen, dass digitale Träger nicht haltbar sind. Als Mensch will man die Dinge immer bewahren. Wir müssen aber akzeptieren, dass die Dinge verschwinden.
STANDARD Fühlen Sie sich eigentlich mehr dem Kino oder der Kunst zugehörig?
Fruhauf Ich kann klar sagen, dass das Kino mein bevorzugte Ort ist, weil ich so denke. Mein Gehirn funktioniert immer noch analog.
STANDARD Im Kino kommt natürlich eine ganz andere Betrachterposition zum Tragen.
Fruhauf Ja, man ist den Bildern viel stärker ausgesetzt. Im Film kann man sich auch als Künstler mehr zurücknehmen. Man verschwindet im dunklen Kinosaal. Die bildende Kunst lebt viel stärker von der Person des Künstlers - das hat ja schon Duchamps gesagt. Natürlich mache ich auch Arbeiten für Ausstellungen. Ein bisschen zwischen den Fronten zu sitzen ist oft gar nicht so schlecht.
(Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Oktober 2010)