In person || Spotlight: Bjørn Melhus

Do 30. Mai 2019, 21:00 Uhr
Österreichisches Filmmuseum

Die Arbeiten des deutschen Video- und Installationskünstler Bjørn Melhus erhalten seit den frühen 1990er Jahren sowohl bei Filmfestivals als auch im Ausstellungskontext internationale Anerkennung. Melhus, geboren 1966, war Teil der ersten Generation, die mit dem Massenmedium Fernsehen aufgewachsen ist. Er sagt von sich selbst, dass ihn vor allem amerikanische Filme und Serien (wie Flipper, Fury und Lassie) geprägt haben und mit virtuellen Identifikationsfiguren konfrontierten. Die Spiegelung des eigenen Selbst in medial vermittelten Stereotypien und die spielerische Auseinandersetzung mit Genres, TV-Formaten und Populärkultur jeder Art sind die zentralen Merkmale seiner Kunst. Aus einem Sample von Dialogfragmenten, Musik und Geräuschen aus vorhandenen Quellen entwirft er seine Tonspuren, die die Narration vorgeben. Sämtliche Figuren: Männer, Frauen, Kinder und Tiere werden von Melhus selbst verkörpert, er schlüpft in die Stimmen hinein. Dabei sieht er sich keinesfalls als Schaupieler, sondern versucht in den stilisierten Protagonisten verschiedene Teile seiner selbst darzustellen. Aber nicht nur die Kritik an der medialen Welt der Oberflächen und deren Einfluss auf Emotionen und Wünsche sind sein Thema, sondern auch die Kritik am Kapitalismus und anderen Heilsversprechen. (Brigitta Burger-Utzer)

Programm 1 Donnerstag 30. Mai 2019. 21.00
Das Zauberglas (1991, 6 min) Out of the Blue (1998, 6:30 min) Weit Weit Weg (1995, 16mm auf Video, 39 min) Murphy (2008, 4 min) Afterlife (2010, 7 min) I’m not the enemy (2011, 13:30 min)

In Das Zauberglas spiegelt sich Bjørn Melhus im Fernsehschirm mit einer weiblichen Version seiner selbst und scheitert damit an einer realen Begegnung. Anschließend erzählt eine gesichtslose Person, wovon sie für ihre Videos beeinflusst und angetrieben wurde. Eines der wichtigsten US-Kinomärchen – The Wizard of Oz – wird in Weit Weit Weg dekonstruiert: seine Dorothy erreicht das Land hinter dem Regenbogen nie, sondern bleibt in der Schleife der Projektion stecken. Auch in Afterlife hören wir Judy Garlands Stimme, eine Hymne anlässlich der Ermordung John F. Kennedys singend. Zuletzt finden heimgekehrte Soldaten ein unwirtliches Deutschland vor, tragikomisch inszeniert Melhus eine parallele Version zu den Vietnamveteranen. (bbu)

Programm 2 Samstag 1. Juni 2019. 19.00
Jetzt (1993, 5 min) America Sells (1990, 7 min) Freedom & Independence (2014, 15 min) Sudden Destruction (2012, 4:20 min) Auto Center Drive (2003, 28 min) No Sunshine (1997, 6 min) The Oral Thing (2001, 8 min)

Jetzt ist eine fast abstrakte Collage von Aufnahmen des Tages der Wiedervereinigung von Deutschland. Zitate evangelikalischen Inhalts aus US-Kinofilmen treffen auf Sprüche der selbsternannten objektivistischen Philosophin Ayn Rand, der Alptraum von Freedom & Independence spielt vor der Kulisse einer megalomanischen Großstadt. Melhus Methode, ein Alter Ego mit weiteren Figuren aus dem medialen Musterkatalog in Dialog treten zu lassen, findet in Auto Center Drive und No Sunshine besonders komplexe Varianten. In ersterem trifft er auf die Helden_innen seiner Jugend: Jim Morrison, Janis Joplin und James Dean, im zweiten auf Kinderstars, die an der Heranbildung einer eigenen Identität und am Erwachsenwerden scheitern. (bbu)

In Anwesenheit und mit ausführlichen Gesprächen mit Björn Melhus

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Kurzfilmfestival VIS Vienna Shorts und dem Österreichischen Filmmuseum statt. -> Österreichisches Filmmuseum Augustinerstraße 1 1010 Wien Kartenreservierungen: 533 70 54 oder online: www.filmmuseum.at