Gunvor Nelson – Personale
Die Filmemacherin Gunvor Nelson möchte ihre Arbeiten als „personal films“ bezeichnet wissen, „avantgardistisch“ oder „experimentell“ klingen ihr zu kühl. 1931 in Stockholm geboren, ging sie bereits in den frühen 1950er-Jahren nach San Francisco um Kunst und Malerei zu studieren. Dort lernte sie ihren späteren Mann Robert Nelson kennen und war wie er eine wichtige Figur der West Coast-Kunstszene, wurde aber nicht in den männlich dominierten Kanon des New-American Cinema aufgenommen. Ihr Debut gab sie 1966 mit Schmeerguntz, eine selbst heute noch drastisch wirkende Gegenüberstellung medial vermittelter Bilder vom Frausein mit der Realität junger Mütter. Sie unterrichtete mehr als zwanzig Jahre am Art Institute bevor sie sich 1993 entschloss nach Schweden zurückzukehren. Seitdem arbeitet sie vor allem mit Video und Installationen, und ist zur Malerei zurückgekehrt. Die Nähe zur Malerei ist vielen ihrer Filme anzumerken, sie begreift Film als modellierfähiges Medium, was in ihrer Faszination für Collagen, für die Bearbeitung mit Tinte und Farbe, die Rhythmisierung von Bild und Ton in der Montage, Überblendungen und dem Spiel mit Licht und Schatten zum Ausdruck kommt. Gunvor Nelsons Filme kreisen um ihre Familie, die schwedische Landschaft und die Beobachtung der Natur. Dabei sucht sie stilistisch variantenreich die Ambivalenz des Lebens und seiner Erscheinungen zu zeigen: in seiner Schönheit, seiner Vergänglichkeit und Komplexität. Aufgrund ihres hohen Alters kann Nelson leider nicht nach Wien reisen, die Einladung von sixpackfilm und dem Filmmuseum kam zu spät. (Brigitta Burger-Utzer)
Gunvor Nelson 1 Fr.: 18. 1. 2019 / 18.30 Uhr Schmeerguntz (mit Dorothy Wiley) (USA 1966, 16mm, sw, 15 min) Time Being (USA 1991, 16mm, sw, stumm, 8 min) Red Shift (SE 1984, 16mm, sw, 50 min)
Gemeinsam mit ihrer Freundin Dorothy Wiley präsentierte Gunvor Nelson mit Schmeerguntz eine amüsante, groteske Attacke auf das Ideal der amerikanischen Frau: eine Collage aus Fernsehbildern von Miss-Wahlen und Werbungen ergänzt mit Bildern ihres eigenen ekeligen Anteils am Alltag als Hausfrauen. Mit Time Being verabschiedet sie sich von ihrer alten sterbenden Mutter, ein brutaler, genau konzipierter und gleichzeitig berührender Film. In RED SHIFT – Nelsons Opus magnum – geht es um sie selbst, ihre Mutter und ihre Tochter, drei Generationen von Frauen und deren wiederkehrende Rituale, Konflikte und familiären Bindungen. Fragmente der Gesichter, der Körper, kleine Gesten, Möbelstücke und Objekte im Elternhaus in Kristinehamn sind zu sehen. Die nicht verschickten Briefe der Calamity Jane an ihre Tochter, die sie zu Pflegeeltern gab, sind zu hören. (bbu)
Gunvor Nelson 2 Fr.: 18. 1. 2019 / 20.30 Uhr My Name Is Oona (USA 1969, 16mm, sw, 10 min) Take Off (USA 1972, 16mm, sw, 10 min) True to Life (SE 2006, Video, F, 38 min) Tree-Line (SE 1998, Video, F, 8 min)
Ein Portrait der Tochter vermischt sich mit den Fantasien an die eigene Kindheit in My Name is Oona. Der Sound – geloopte Sprache entstanden in Zusammenarbeit mit Steve Reich – konterkariert die wunderschönen Bilder. Im Animationsfilm Take Off dekonstruiert Nelson den Striptease einer bereits älteren Dame, eine frühe bravouröse Burlesque. Die spielerische Erkundung des eigenen Gartens, vor allem der Details und Oberflächen, folgt dem natürlichen Lauf der Jahreszeiten von Frühling bis Winter in True to Life. Die extremen Nahaufnahmen der Pflanzen und Insekten, das komplexe Sounddesign und die andauernd bewegte Kamera erzeugen eine Spannung und weisen die Filmemacherin als Eindringling aus. Ihr Vergnügen, nun mit digitalem Video und Computersoftware arbeiten zu können und die unmittelbaren Möglichkeiten der Transformation eines minimalen Ausgangsmaterials kommen in Tree-Line zum Ausdruck. Eine kurze Sequenz eines fahrenden Zuges und das Foto eines Baumes genügen für dieses rhythmische, meisterliche Aufeinandertreffen von Beschleunigung und Stillstand. (bbu)
Die Personale findet in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum statt.
Österreichisches Filmmuseum Augustinerstraße 1 1010 Wien Kartenreservierungen: 533 70 54 oder online: www.filmmuseum.at