* 1939, Österreich
Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien. Bis 1974 Lehrerin für bildnerische Erziehung. Ab 1975 freischaffend in den verschiedensten künstlerischen Bereichen (Installationen, Performances, Buch- und Fotoobjekte u. a.) tätig. Seit 1966 zahlreiche Ausstellungen und Auszeichnungen im In- und Ausland. 1987 Jurymitglied der Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen. 1993 Lehrauftrag an der Filmhochschule Zürich. Mitglied der Austria Filmmakers Cooperative (1982), des Künstlerhauses (1982) und der Grazer Autorenversammlung (1984), Gründungsmitglied der Intakt (1977).
Hilar Stadler über Linda Christanell (Artikel)
Die Filmarbeit Christanells ist eine sich wiederholende Reflexion, die auf der Qualität ihrer Formulierung und filmischen Umsetzung beruht: Ansätze zu einer spezifisch weiblichen Bildersprache, sollte es eine solche geben. Ohne festen Plan, so scheint es, wird Bild an Bild aneinandergereiht. Haltepunkte bieten wiederkehrende Motive, um die dann weitere eigenständige Sequenzen aufgebaut werden. Die Szenen stehen mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander, um eine Struktur wie ein Gewebe zu bilden. Die Farbe spielt in dieser Verflechtung der Teile eine aktive konstitutive Rolle, trennt und verbindet. Sie löst sich als reiner Wert von den Gegenständen und springt als Farbfeld über auf die Leinwand, scheint diese zu entflammen. Farbe ist Zeichen von Energie. Die Dauer der Einstellungen resultiert aus dem speziellen Umgang mit der Kamera, die Linda Christanell stets als "Handkamera" führt. Sie läßt sich leiten durch ihr eigenes Zeitgefühl in der direkten Arbeit mit Aufnahmeinstrument und darzustellenden Objekten.
Der Rhythmus von Christanells Filmen geht aus von ihrem eigenen Körperrhythmus. Daneben zeigt die Kameraführung beinahe schon taktile Qualitäten. In Meomsa (1988, 16mm, Farbe, 43') vollzieht die Kamera gleichsam das Tasten der Hände auf dem weiblichen Körper nach. Die Kamera blickt, wie die Hände fühlen. In der Bewegung der Kamera, wenn sie aus freier Hand geführt wird, manifestiert sich stets die Bewegung des ganzen Köpers der Filmenden. Der Blick der Autorin durch die Kamera ist immer auch ein Blick auf sich selber. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Köper geht jedoch nie von direkten Abbildern dieses Körpers aus. Die vor der Kamera inszenierten Gegenstände erlauben der Autorin die Ausweitung der eigenen Person auf libidinös besetzte Gegenstände, andererseits stehen diese schützend vor der direkten Preisgabe des eigenen Körpers im Bild: "Ce nétait pas moi" heißt es paradigmatisch am Ende des Kurzfilms Fingerfächer (1982, 16mm, Farbe, 10'). Die kurzfristig sicher geglaubte Zuordnung hebt sich jeweils so weit auf, daß eine Re-Kombination von neuem beginnen kann.
(Hilar Stadler; Filmexperiment, in: Kunst-Bulletin 12/1993)
Linda Christanell: Wie ich arbeite (zum Film Fingerfächer) (Artikel)
Im November 1978 schrieb ich über die Arbeit an Objekten: "Ich verwende jeweils die Materialien und das Medium, das meiner Arbeit am besten dient; sei es die Zeichnung, der Bau eines Objektes, das Foto, der Film oder die Performance ... Ich liebe Gegenstände. Jeden Gegenstand kann ich meditieren, ich kann mich mit ihm identifizieren, ich sehe an ihm die Zeit vergehen, ich kann ihn zerstören und oft überdauert er den Menschen ... "
In letzter Zeit verwende ich oft Schmuckgegenstände: Ohrgehänge, Boutons und Krimskrams, der zum Leben der Frau gehört ... und mache Fetische daraus, versuche, diese Dinge in neue Zusammenhänge zu stellen, wo sie Energie ausstrahlen und versuche, ihre sexuelle Bedeutung sichtbar zu machen, teils ironisch, teils ernsthaft. Ich arrangiere mit ihnen Szenen. Die Straßbrosche in Vaginaform oder das Ohrgehänge mit Nägeln aus der Sado-Maso-Szene - oder der Bouton in dem Film Fingerfächer mit der Schrift: "time - vision - action". Mit diesen Dingen mache ich Zusammenhänge sichtbar. Der Tigermann, auch in dem Film Fingerfächer, steht für den Kult einer wilden Männlichkeit. Mit vielen Dingen, die man in der "In-Szene" bekommt, werden sexuelle Wünsche transportiert. Der Fingerfächer ist ein von mir gemachtes Objekt. Der Fächer hat eine vielfältige, symbolische Bedeutung; er ist ein Wandlungssymbol, in alten Mythologien steht er auch für das Geschlecht der Frau.
Ich erzähle eine Geschichte, meine Geschichte, meine Geschichte mit meinen Problemen als Frau. Ich vermeide jedoch eindeutige Aussagen und habe eine verschlüsselte, vieldeutige Aussage lieber. Es kann das sein, es kann jenes sein, es kann etwas ganz anderes sein. Ich arbeite mit den bewegten Bildern des Filmes. Der Ton wird in dem Film Fingerfächer als Zitat zur Vermittlung eines bestimmten Gefühlszustandes eingesetzt.
Die meisten meiner Filme spielen sich in Innenräumen ab, auf meinem Arbeitstisch oder Boden, wo die Gegenstände liegen. Ich filme oft mich selber mit, oder einen Teil meiner Ausrüstung, wie z. B. in Fingerfächer die Ketten meines Arri-Stativs, auf die gerade während der Arbeit mein Blick fiel und die ich in das Bild einspiegelte. In dem Film stehen Symbole für Weiblichkeit und Männlichkeit einander gegenüber. In einigen Filmen gibt es lange Szenen in Innenräumen, in denen das Leben der Frau oft beschränkt ist, mit Schmuck und Flitter eingeschlossen - und dann Bilder der Befreiung wie in Fingerfächer am Schluß des Films der Blick aus dem Fenster und die von den Dächern fliegenden Tauben.
Zur Technik der Filme: Ich arbeite gerne mit Fotos, die ich teils illusionistisch, teils als Medium einsetze - mit Animation der Gegenstände - mit Cash, Filter und Spiegel - mit Abfilmen und Überblendungen. Oft gibt es eine sehr langsame Zeit, wie wenn eine Schnecke kriecht, oft fallen die Bilder, durch Einzelbilder immer rascher, von oben nach unten, wie von einer gerissenen Perlenkette. Für mich ist auch der Schwarzfilm zwischen den Szenen wichtig - ein Blackout - oder ""in Augenzumachen". Die Filmbewegung entsteht aus der Abfolge von einzelnen statischen Kadern und seltener gibt es eine tatsächliche Bewegung, einer Person z. B., auf den Kadern. Mich fasziniert Veränderung der Farbigkeit einzelner Szenen. Ganz unmerklich und langsam gibt es eine Veränderung von schwarz-weiß zu Farbe, von Helligkeit zu Dunkelheit. In dem Film Anna vertrocknen am Ende des Films Rosen und verändern dann durch das Hineinspiegeln von Rotlicht dauernd ihre Röte. Oder eine Szene verliert plötzlich die Farbigkeit, wird ganz hell und der Blankfilm wird sichtbar.