Indiana
Das Ausgangsmaterial dieses Films bilden Fotos eines Franziskanerpaters im brasilianischen Urwald. Dieser Mann, der in den 1930er Jahren beschloß, Missionar zu werden, war der Onkel des Filmemachers. Von seiner Leidenschaft für Fotografie blieb ein fragmentarischer Rest übrig: rund 70 Schwarzweiß-Dias sowie die ungefähr gleiche Anzahl an Negativen. Alle diese Bilder besitzen den Charakter eines Dokuments, einer Kompilation von "Auskünften" über Brasilien. Sie zeigen - nur am realistischen Abbild interessiert - Landschaften, Gegenstände, Bauwerke und nicht zuletzt Menschen.
Keip stellte aus den Diapositiven Negative und aus den Negativen Positive her, diese wurden dann vergrößert und in mehreren Generationen immer wieder dupliziert, so daß sowohl die Körnung des Filmmaterials als auch seine Abnützungserscheinungen deutlich sichtbar wurden.
Neben diesem Interesse für den Materialaspekt des Filmmediums besitzt Indiana eine Art loser Erzählstruktur. Seine "Geschichte" ließe sich etwa folgendermaßen wiedergeben: Man kommt zu einer Indianerhütte, geht hinein, dann wieder hinaus und findet sich in einer Landschaft wieder, in der man verschiedenen Menschen begegnet: einheimischen Jägern, weißen Männern - zum Teil in Ordenstracht -, Indianerkindern und -frauen. Der kolonialistische Aspekt der Ausgangsbilder wird krass sichtbar, wenn Keip die Aufnahmen von den Indianern mit jenen von den Weißen konfrontiert. Während der Hobby-Ethnologe seine Kollegen stets aufrecht stehend und in Frontalansicht - wie wir es aus Urlaubsfotos kennen - portraitiert, wird die einheimische Bevölkerung aus verschiedenen Perspektiven vorgeführt und dadurch zum Studienobjekt degradiert.
Indiana arbeitet dieser ursprünglichen Bedeutung mit filmspezifischen Mitteln, wie sie zum Teil schon in der Frühzeit des Mediums Verwendung fanden, entgegen. Was hier aus den Bildern des Missionars aufersteht, ist ein neuer, wilder Dschungel, ein Dickicht aus Licht und Schatten, das uns auf sein Draußen zurückwirft.
(Gabriele Jutz)
Indiana
1996
Österreich
4 min