Wisla
Der Gang von den Katakomben der Spieler hinaus in die Arena ist dunkel und eng. Die vielleicht befreiende Weite, in die der Trainer und sein Assistent treten, um auf der langen Ersatzbank Platz zu nehmen, zeigt Josef Dabernig aber nicht. Italienische Fußballfans grölen lediglich im Off, ein polnisches Stadion zerfällt in entvölkerte Fragmente. Nur ein Schwenk am Anfang von Wisla, über viel grauen Himmel und Hochhausspitzen einer Satelliten-Stadt, deutet ein riesiges Rund an, in dem die beiden Vollprofis ein weiteres nächstes Spiel verfolgen, das, wie immer, das schwerste ist. Ihre undurchdringlichen Mienen sprechen Bände über ein (naturgemäß nicht gezeigtes) Spiel. Mitunter bedeuten sparsame, sehr kryptische Gesten der eigenen Mannschaft etwas, das vielleicht die rettende Strategie ist. Mit der Gelassenheit echter Vollprofis nehmen die beiden Protagonisten jedenfalls am Ende einen Handshake von WM-Niveau entgegen - ohne Mannschaft, auf leerer Tribüne.
Fußballfans in virtuellen Übungen? Eine wirklich allerletzte Partie, ein Endspiel, aber nicht im FIFA-Sinn, sondern frei nach Beckett? Wisla könnte ein verfilmter Comedy-Gag sein, Pantomime für kleine TV-Sendenischen. Wie oft haben uns amoklaufende Kabarettisten schon Sporthelden zerblödelt! Die Schwarzweiß-Bilder Thomas Baumanns jedoch sind mehr an eigentümlich geformten Stehplatzgeländern und lapidar verrottender Freizeitarchitektur interessiert als an Gags. Und im Nicht-Schauspiel durch Dabernig selbst und durch Martin Kaltner nähert sich der Film eher dem existentialistischen Phlegma eines Aki Kaurismäki an. Sprachlos, mit exzellentem Timing wird hier zwerchfellerschütternd gelitten und in sehr effizienter Sparsamkeit triumphiert - vor einem urbanen Niemandsland fernab jeder verordneten nationalen Identität.
Wisla wird so in vieler Hinsicht zu einer höchst gelungenen Übung in der Kunst der richtig gesetzten Auslassungs-zeichen. So wie der riesige Spiel-Raum, den Dabernig eigentlich nur andeutet, Wucht bewahrt, trotz aller lächerlichen Mäkel, die man von ihm zu sehen bekommt, vermittelt dieser Film Ahnungen von künftigen, hoffentlich ebenso schadhaften, doch reichen Produktionen aus einer raffiniert konstruierten Abseitsfalle.
(Claus Philipp)
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Wisla
1996
Österreich
8 min