(Calcutta) GO
Ein Inder, wenn er geht, bleibt nie stehen. Ein Hindernis zwingt ihn nur, eine neue Richtung einzuschlagen. Das Gehen ist genauso wie der Fluß des Lebens, so häßlich es auch sein mag. Calcutta, einst eine der schönsten Städte der Welt, ist jetzt eine der traurigsten und ärmsten Städte. Der Verkehr ist ein Horror. Aber immerhin, es fließt. (Hans Scheugl) Der Weg ist das Ziel - oder: Das Kino ist eine Kette der Bewegungen, eine kontinuierliche Kamerafahrt, ein dahinrasendes Auge, das in der Reizüberflutung zu existieren gewohnt ist. (Calcutta) GO verweist in seiner Nähe zum Dokumentarismus und in der Schlichtheit der Konzeption auf Hans Scheugls frühe Filme zurück (Wien 17, Schumanngasse). Das Kameraauge im Wagen registriert (wie das offene Ohr des Mikrophons) die vorbeiziehende Stadt: Menschen und Maschinen, im Überholmanöver abgehackt; Musikfetzen und Stimmen, Motoren und Hupen - akustische Splitter des Alltags, vermischt in der flüchtigen Bewegung des motorisierten Passagiers. Ein Film als neunminütiges Kamera-travelling, als dokumentarisches Stadtbild, als Diskurs über die Möglichkeiten des Überholens mit hohem Kollisionsrisiko, des taktischen Autofahrens auf Zeitdruck. Scheugl läßt Zeit und Raum hinter sich, noch während er davon erzählt: (Calcutta) GO - ein schneller, wendiger Bildbericht von dem Fassungsraum des Kinos und der Eleganz seiner Bewegungen.(Calcutta) die location. GO: die Regieanweisung im Nachvollzug einer millionenfach geübten Überlebensstrategie. (Stefan Grissemann)