Gleichzeitig Nackt
Zwei Personen, weiblich gelesen, sind vor einer Kamera gleichzeitig nackt. Sie betreten die Kulisse eines unbewegten Bildes wie in einem Varieté, bewegen sich recht unambitioniert zum Wiener Walzer und treten nach drei Minuten wieder ab. Die Choreographie: Linker Arm an die Hüfte, leichter Hüftschwung, rechter Arm an die Hüfte, leichter Hüftschwung, Schritt vor, Schritt zurück. Im Hintergrund eine schwarze Leinwand, darauf links und rechts zwei blaue Wolken und in der Mitte eine gemalte Vase mit einem abstrakten Strauß Blumen, daran eine Schleife aus rot-weiß-rotem Absperrband, das sind auch die Farben der österreichischen Flagge. Angeschnitten vorne im Bild ein Malertisch mit Putzschwamm. Johann Strauss – ein Strauß Blumen – „An der schönen blauen Donau“ – blaue Malereien – die Anspielungen sind klar, aber ironisch, uneindeutig und wunderbar imperfekt inszeniert von Ashley Hans Scheirl und Ursula Pürrer in diesem kurzen Film, der tatsächlich ein Remake ist.
1985 wurde das Original auf Super 8 gedreht, damals noch ohne Musik. Ein paar Mal aufgeführt gilt es seitdem als verschollen. 21 Kurzfilme haben Scheirl und Pürrer zwischen 1984 und 1985 gedreht und damit (neben dem Langfilm Rote Ohren fetzen durch Asche (1991)) ein unvergleichliches Werk queerer Experimentalkunst geschaffen. Anarchisch, ironisch, erotisch, subversiv, lesbisch, DIY, selbstbewusst und wild sind ihre Filme, die irgendwo zwischen Zirkus, Performance, feministischer Selbstbehauptung, BDSM, gefilmter Aktionskunst, lustvoller Grenzüberschreitung und Musikvideo angesiedelt sind.
VALIE EXPORT, Jack Smith oder Ulrike Ottinger fallen als unzureichende Vergleiche ein, bei Gleichzeitig Nackt aber vor allem Barbara Hammer, die als eine der wenigen in der Film- und Videokunst ältere, lesbische Körper sowohl sinnlich, als auch augenzwinkernd zu inszenieren wusste. Ob diese Körper zu Walzer tanzen, ist letztlich, aber vielleicht nicht völlig, egal. (Toby Ashraf)
Gleichzeitig Nackt
2024
Österreich
3 min