Some Memories
Zwei Filme, vereint in einem. Da sind zum einen die schwarzweißen Super8-Aufnahmen des „Geschichtsmuseums von Bosnien-Herzegowina“ in Sarajevo, das in der Zeit des jugoslawischen Sozialismus errichtet wurde. Begleitet werden die Aufnahmen von der Stimme der Direktorin, die auf die Geschichte des Museums zurückkommt und auf seine Schwierigkeiten in der Gegenwart: Schon lange fühlt sich keine staatliche Institution mehr dafür zuständig. Ist der erste Film ein Porträt der Architektur des Museums und der Menschen, die in ihm arbeiten, dann ist der zweite eine Analyse des ersten – und seine Ruine. Immer wieder kommt es zum abrupten Verschwinden des Bildes, zu Unterbrechungen, zu Phasen der Stille. Der zweite Film lässt den ersten zerfallen und überträgt damit die bedrohte Erinnerung an den Sozialismus auf das filmische Material. Wären da nicht die Mitarbeiter:innen des Museums und die Filmemacherin, die gegen diese Widerstände die Erinnerung lebendig halten. (Philipp Stadelmaier, Diagonale Katalog 2024)
„Some memories – are stronger – than others.“ Unter diesem Leitspruch beginnt Lotte Schreiber ihren experimentell-dokumentarischen Kurzfilm Some Memories, in dem sie hinter die Kulissen des Historijski Muzej Bosne i Hercegovine, des Historischen Museums in Sarajevo blickt. Basierend auf einem Interview mit Museumsdirektorin Elma Hašimbegović, werden Entstehung, Politik und nicht zuletzt die Architektur der Institution vor die analoge Kameralinse gesetzt und mithilfe von Voice-Over-Technik erzählt. Dass die Institution seit Kriegsende 1995 keinen Status als staatlich anerkanntes Museum mehr innehat – ein Versagen der bosnisch-herzegowinischen Kulturpolitik – hindert die Leiterin Hašimbegović und ihr Kollegium dennoch nicht daran, Erinnerungsarbeit zu betreiben.
1945 als „Museum der Volksbefreiung“ gegründet, dient es heute vor allem als museales Mahnmal, das die Besucherinnen und Besucher in Friedenszeiten an die Kriege in Sarajevo erinnern soll. Seit 1963 ist das Museum im heutigen, von den Architekten Boris Magaš, Edo Šmidihen und Radovan Horvat im Stil des jugoslawischen Modernismus geplanten Gebäude beheimatet.
Als studierte Architektin weiß Filmemacherin und Künstlerin Lotte Schreiber, dass das Erinnern auch ein nostalgischer, emotionsgeladener Akt sein kann. Dieser Nostalgie verleiht Schreiber in ihrer Filmsprache Ausdruck. In den Super-8-Aufnahmen verwebt sie mehrere Zeitebenen miteinander. Zum Schwarzweißfilm mischt sich das symbolträchtige Rot von Titos Sozialismus, sei es in Zwischentiteln oder in Bilddetails weniger Farbaufnahmen. Zur geometrischen Geradlinigkeit des modernistischen Museumsgebäudes gesellt sich die Erzählstimme Hašimbegovićs, welche die Institution von ihren Anfängen bis hin zur Jetztzeit beschreibt. Stets verwendet sie das Pronomen „Wir“, um die Kollektivarbeit der gemeinsamen Anstrengung zu unterstreichen. Tito und Jugoslawien mögen passé sein, doch zeigt Schreiber, dass deren Erinnerung in der Architektur und den Menschen, die sie (be)nutzen, weiter fortlebt. (Berina Musa)
Some Memories
2024
Österreich
10 min