New News from Another Home
Zu seiner ikonischen Vorlage verhält sich New News From Another Home wie eine Doppelgänger-Erzählung. Fast fünfzig Jahre nachdem Chantal Akerman zu Aufnahmen von New Yorker Straßenschluchten, Subway-Stationen und Gebäudefassaden Briefe verlas, die ihr die Mutter während ihres ersten Aufenthalts in der fremden Stadt hinterherschickte, begibt sich Borjana Ventzislavova auf einen persönlichen Parcours durch das verehrte Werk. Zu Bildern der originalen Schauplätze sind Emails der Mutter zu hören, im Tonfall, einer Verquickung von Sorge und sanften Ermahnungen (die Tochter schreibt manchmal zu selten und erzählt zu wenig), nicht unähnlich den Briefen von Natalia Akerman. „Liebe Bube …“, so beginnen die „neuen Nachrichten“, in denen die Mutter von ihrem Alltag in Bulgarien berichtet: das Wetter, gesundheitliche Probleme, Familientreffen.
News From Home (1976) ist Teil des kollektiven Bildgedächtnisses und so wird Ventzislavovas Reenactment unweigerlich zu einer Vergleichsstudie entlang ineinander verschränkter Zeitachsen. Neben dem Mutter-Tochter-Verhältnis bilden sich die ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen ab, die in der Topografie ihren Abdruck hinterlassen haben: die Kapitalisierung des öffentlichen Raums, die Allgegenwart des Digitalen, Verkehrschaos.
Anders als die einseitige, auf der Stelle tretende Korrespondenz im Referenzfilm, spricht aus den Emails ein bewegter Austausch. Getrennt von Mutter und Kind, und wohl auch unter Einfluss einer traumatischen Vergangenheit, die bei Akerman durch die Leerstellen hallt, stellt Ventzislavova Fragen nach der eigenen Familienhistorie. Die Fragmente, die bei der Spurensuche zum Vorschein kommen – die Internierung eines Verwandten im Arbeitslager in Belene bildet dabei eine düstere Markierung –, skizzieren eine mehrgenerationelle Geschichte zwischen Eisernem Vorhang, Emigration und Nachwendejahren. Im Schein eines endzeitlichen Lichts treibt sie in der Gegenwart ihr Nachwirken. (Esther Buss)
New News from Another Home
2024
Österreich, Bulgarien
87 min