Uscita di Sicurezza

„Aber eines Tags wird ein Geschrei sein am Hafen,“ sprechsingt die Filmemacherin eindringlich, als eine weite, sonnenbeschienene Flusslandschaft ins Bild kommt. Danach bewegen sich Passant:innenkörper in Zeitlupe an der Kamera vorbei, und Brecht/Weills Ballade von der „Seeräuber-Jenny“ rollt weiter. Uscita di Sicurezza häkelt mit lockerer Präzision seine Elemente zusammen, ohne sie festzuzurren, so wie der Film als Ganzer im Gewebe von Friedl vom Gröllers Filmschaffen allerhand Vertrautes aufnimmt (Brecht/Weill waren schon in Ertrunken zu hören, der Schauplatz weckt Erinnerungen an Leonardo und Ticino), aber eigensinnig weiterspinnt.

Im Nahkontakt mit Brechts bildstarkem Text über die missachtete Hotel-Servicekraft Jenny und ihre Rachefantasien schillern die schwarzweißen 16mm-Aufnahmen wild und wechselhaft: Zuerst spritzt der Acapella-Gesang sein Gift über idyllische Flussausblicke und Momentaufnahmen touristischer Menschengruppen auf einer historischen Brücke. (Notausgang gesucht!) Dann folgt, für den Großteil des Films, ein Solo-Personenporträt in zwei Durchläufen: zuerst als Sequenz von Filmaufnahmen, dann als Montage von Standfotos. Mit ihrer Baseballkappe vor einem Bäckereiposter stehend wirkt Angela Crupano wie von der Filmemacherin aus der Menge auf der Brücke gezogen. Auf den gewitzten Zorn der Seeräuber-Jenny reimt sich aber vor allem der einnehmende Ernst, mit dem sie den Blick beider Kameras erwidert. „Und wenn dann der Kopf fällt, sage ich: Hoppla!“ Dazwischen demonstriert eine Frontalaufnahmen zweier People of Color auf der Brücke, dass auch für das medientechnische Dispositiv der Bolex-Kamera manche Menschen, mit Brecht gesprochen, im Dunkeln bleiben: Ihre Gesichter werden nur für drei Augenblicke leserlich, wenn das Bild mit Licht geflutet wird. (Joachim Schätz)