the tuner
Verhüllt und eigenwillig deplatziert steht da ein Steinway-Flügel inmitten kargen Büroambientes. Auf das unpacking folgt die erste Inspektion: „Ich glaube, er hat alle Voraussetzungen“, spricht der Experte – vielleicht der Beste seiner Zunft – und geht ans Werk. Stück für Stück wird er fortan das Innenleben des Klaviers freilegen, reinigen, vermessen. Hämmer schlagen auf Saiten, Dämpfer, Tasten und Stimmwirbel werden hingebungsvoll optimiert, festgezogen, auseinandergenommen und in Millimeterpräzision wieder zusammengeführt. Jeder Handgriff sitzt, jede unnötige Störung scheint im Vakuum des weltfernen White Cube absorbiert. So wird das Hören des Klavierstimmers sicht-, seine fachliche Meisterschaft erfahrbar: ruhig, konzentriert und beinahe meditativ. Analog zum besonnenen Professionisten ist auch die Filmemacherin ganz in ihrem Element. Das vorgeblich simple Setting im obersten Stockwerk des Firmensitzes eines Tiroler Brennstoffherstellers erweist sich durch ihren Zugriff als spielerisch doppelbödiger Dialog. Zunehmend rücken – charakteristisch für Sasha Pirker – Architektur und auch die umliegende Gipfelwelt ins Bild. Während sich der Blick vom neugierigen Close-up also ins Außen weitet, gibt sich die nur vermeintliche Handwerksobservation als verschmitzte Jelinek-Reminiszenz zu erkennen. Sowohl in the tuner als auch in Die Klavierspielerin haben die „Irren“ den Flügel nämlich in luftiger Höhe aufgestellt – und voll köstlichem Größenwahn lässt Pirker diesen tatsächlich momenthaft gen Himmel entschweben. Einzig vom Keuchen des Jelinek’schen Klavierstimmers bleibt im Film keine Spur: von Repetition unbeeindruckt interpretiert der moderne Sisyphos Korrektur als Leidenschaft. Film und Handwerk: Prozess ohne Ende. (Sebastian Höglinger)
the tuner
2023
Österreich
13 min