Das große Baumstück
Woraus besteht ein Baum? Wie kann eine Annäherung an ihn aussehen? Und was hat der Baum selbst mit dem zu tun, was wir sehen? Claudia Larchers Film Das große Baumstück widmet sich wichtigen Fragen, die sich offenbaren, sobald wir den komplexen menschlichen Beziehungen zur Natur nachsinnen. Der Film besteht aus einer einzigen Kamerafahrt von einer Baumkrone bis unter die Erde, wo sich Humus, Pilze und Wurzeln als Welterschaffer in der Dunkelheit betätigen. Die Perspektiven, die bei dieser Bewegung entlang des Baumes entstehen, fächern sich mannigfach auf. Wie bei Albrecht Dürers Gemälde Das große Rasenstück, das als Inspiration für den Film dient, handelt es sich um eine Naturstudie, die aus sich selbst herauswächst. Die Materialität des Baumes wird enthüllt, indem die puzzleartigen Formen der Rinde mittels AI vermehrt werden, bis sich eine fantastische Chiaroscuro-Landschaft bildet. Wenn die Makroaufnahmen einer Hummel bis in die einzelnen Zellen gehen, und der Film sich in eine metamorphosierende Animation mit roten Lebensflüssigkeiten und Kleinstformen wandelt, fragt man sich, wie vergleichbar verschiedene Lebensformen sind. Unsere klare, aber oft vergessene Verwandtschaft mit Bäumen, die aus unserem Lebendigsein entspringt, ist in Das große Baumstück durchgehendspürbar. Die Bewegungen des scheinbar Unbeweglichen werden offengelegt. Mit größter Aufmerksamkeit spürt Larcher den Welten nach, die sich hinter dem vermeintlich unauffälligen Marillenbaum verbergen. In der magischen letzten Sequenz, in der wir aus der Makroperspektive in die Baumkrone zurückkehren, verkörpert sich das innere Bewegtsein der Blätter. Es raschelt, knistert und säuselt, als ob das Leben selbst zu hören wäre. Vielleicht hört sich das Leben eines Baumes genau so an. (Ivana Miloš)
Das große Baumstück
2023
Österreich
10 min