TOM & TOM

Es soll Menschen geben, die nur deshalb ein Feuerzeug mit sich herumtragen, um anderen in ihrer Not behilflich zu sein. Eine freundliche Hinwendung, eine soziale Geste, ein Anfang: Dietmar Brehms TOM & TOM kreist um eine solche nichtsprachliche Begegnung, weigert sich jedoch mit der für den Filmemacher so typischen Lust am Uneindeutigen, den Vorhang ganz aufzuziehen. Gegeben sind: ein Mann mit Schnurrbart und Hosenträgern, der konzentriert auf sein Gegenüber blickt, das zwei Minuten lang in der Unschärfe ausharrt. Dessen Slow-Mo-Bewegungen, auch die Lage des Körpers lassen vage vermuten, dass es um ein intimes Zusammentreffen geht.
Anstatt das Rätsel zu lösen, stellt es Brehm in seiner Überarbeitung eines Ausschnitts aus der eigenen Praxis-Reihe erst einmal auf den Kopf: Das Bild, an dem der Blick so konsequent festhält, schärft sich zu einem Mann in Fetisch-Leder mit Polizeikappe. Wir betrachten es nun verkehrt herum: Man sieht, wie er an seiner Zigarette zieht, das signalhaft rotkolorierte Bild pumpt sich gleichsam selbst mit Nikotin voll. Erst im dritten Anlauf treten die beiden Figuren dann auch miteinander in Dialog: Der lässige Wurf des Feuerzeugs wird zur zentralen Geste, die Brehm mit einer entspannten Musiknummer wie einen Qualitätssprung inszeniert. Der ist zweifellos erotisch aufgeladen - als wäre es ein geheimer Code, der den Akt einer Einwilligung signalisiert.
Brehms Szene stammt aus einem Touko Valio Laaksonen gewidmeten Bio-Pic von 2017. Der finnische Underground-Zeichner wurde als „Tom of Finland“ für seine Darstellung betont muskulöser, oft sexualisierter Männertypen bekannt. Brehms minimalistische Arbeit malt sich zu Laaksonens queerer Ästhetik nun eine atmosphärisch wabernde Urszene aus, die durch „eine Ambivalenz aus Lustkonsum und Lustverzicht“ (Jean-Luc Nancy) bestimmt ist. Die Fetischfigur in Leder wird zum Vexierbild, das dem Begehren ein Bild gibt, sich aber mit dem Objektsein begnügt. Zwei Finger führen die Zigarette langsam zu den Lippen, er inhaliert und lächelt unter seiner Kappe. Sein Gegenüber zeigt keine Reaktion. Und Brehm zieht den Vorhang wieder zu. (Dominik Kamalzadeh)