Höhlenlicht

5433 fotografische Einzelbilder stürzen das Auge in den Zustand einer delirierenden Überforderung. Zapfen wie in einer Tropfsteinhöhle geraten durch ein Gewitter aus Lichtwechseln und Kamerabewegung in einen dynamischen Sog. Es entsteht eine plastische Raumwirkung, die weder abstrakt ist noch konkret. Das Irritierende dabei: Obwohl in klassischer Animationstechnik entstanden, offenbart sich der Herstellungsprozess nicht. So verliert der Zuschauende förmlich den Boden unter den Füßen. Das wiederum öffnet den Blick für das rein Abstrakte und den lyrischen Rhythmus der Bilder.  

Einerseits steht Mirjam Bakers Werk in der Tradition des „Flicker“-Films. Doch anders als etwa in Tony Conrads Klassiker The Flicker von 1965 verweist ihr Film nicht auf den technischen Apparat des Kinos mit seinen 24 Momenten Nacht in der Sekunde. 

Wie für die Pioniere des Abstrakten Films vor nunmehr 100 Jahren, die wie sie auch Maler waren, beginnt Bakers Kino dort, wo die Bildende Kunst an ihre Grenzen stößt. So wie der Vorgängerfilm Staub durch animierte Farbfeldmalerei imaginäre Räume eröffnet, verschwimmen abermals die Grenzen zwischen Bild- und Imaginationsraum. Höhlenlicht ist ein Paradoxon. So wie wir die Höhle nur sehen, wenn wir Licht hineintragen, geben sich unsere Augen auch im Überschuss der Bildfülle geschlagen; wo das Sehen aufhört, beginnt die Vorstellung. 

Tatsächlich waren gebaute skulpturale Objekte die Voraussetzung, um diesen Film zu schaffen. Viele hundert aus Seidenpapier-Maschee geformte Zapfen wurden in Einzelbildern abgefahren, vier verschiedene Bewegungssequenzen ineinander geschnitten. Wie in der minimal music finden so analytisch geformte Strukturen sinnlichen Ausdruck. Es ist diese Musikalität der Bilder, die uns den fehlenden Ton nicht mehr vermissen lässt. Und noch etwas verbindet dieses Meisterwerk des strukturellen Films mit den Pionieren der Avantgarde: Seit Luis Buñuel und Salvador Dalí in Der andalusische Hund ein Auge durchtrennten, gibt es diese durchaus schmerzhafte Sehnsucht, gleichsam hinter das Sichtbare zu blicken. (Daniel Kothenschulte)

Orig. Titel
Höhlenlicht
Jahr
2023
Länder
Österreich, Deutschland
Länge
9 min 35 sek
Regie
Mirjam Baker
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
stumm
Downloads
Credits
Regie
Mirjam Baker
Konzept & Realisation
Mirjam Baker
Dank an
Daniel Kothenschulte
Mit Unterstützung von
Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport / Federal Ministry for Arts, Culture, the Civil Service and Sport, Land Niederösterreich
Verfügbare Formate
DCP 4K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,85
Tonformat
Stumm
Bildfrequenz
30 fps
Farbformat
Farbe
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Tonformat
Stumm
Bildfrequenz
30 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2024
Ljubljana - VFX International Experimental Film & Video Festival