Blind Date 2.0
Paul ist technik- und handwerksaffin. In einem gleichnamigen Porträt (Paul, 2022) begegnete ihm Filmemacher Jan Soldat bereits einmal in seiner Wohnung. Vor dem Hintergrund eines Fernsehgeräts, auf dem Schwulenpornos laufen, lässt uns der sympathische Frühpensionist in spe an seinem Leben teilhaben: Als einer, der bisexuell ist, selbstbestimmt allein lebt, um seine sexuellen Präferenzen sehr dezidiert weiß – und nach Schilderungen zum Hobbymodellbau schließlich masturbiert. In Blind Date 2.0 (2022) empfängt Paul den Filmemacher abermals zuhause – diesmal zum Dreh eines Sex-Dates. Soldat setzt Maßstäbe im filmischen Umgang mit privacy und zeigt in unverstellter Begegnung einen Mann, der Sorge trägt, im Ganzen wie im Detail. So wird noch unter dem Bett gesaugt und gemeinsam ein Regal verschoben, um Platz zu schaffen. Wieder weicht das bereits in Paul entfernte Modellflugzeug („zu bochn“) aus dem Bild, ehe der Mann ankommt, mit dem er sich zu Sex verabredet hat. Weit weg vom spektakulär Pornografischen, aber auch vom amateur porn wird hier zunächst einmal der Klärung der Vorlieben Raum gegeben, Einvernehmlichkeit hergestellt. Nachdem beide Männer eher auf der passiven Seite sind, und der Doppeldildo den Besuch nicht überzeugt, einigen sie sich aufs Blasen, und finden in der gegenseitigen Masturbation ein praktikables Auskommen. Blind Date 2.0 zielt nicht auf die Produktion von Erregung, sondern ist doppelte empathische Annäherung – jene des Filmemachers an seinen Protagonisten, und jene des Protagonisten an seinen eher einsilbigen Besuch. In gezielter, unspektakulärer Kadrierung fängt der Film das Sexpositive im Gewöhnlichen, im Nicht-Normierten, und vor allem im Kontext eines sozialen Miteinanders ein: Nachvollziehbar, berührend, und mit einer denkwürdigen Zigarette danach. (Katharina Müller)
Blind Date 2.0
2022
Österreich
8 min