Imagine Language (Day_00, Day_03, Day_01)

Chantal Kaufmann beweist es: Der Experimentalfilm lebt – und wie er lebt! Gedankenströme jagen durch Bewegtbilder, ein ruhiger Mittelteil erdet. Geräusche und Worte verweben sich vor unseren Augen zu einem Gedicht über Zugehörigkeit, ehe erneut schnelle Schnitte Gedächtnisbilder und Assoziationen evozieren: eine Autofahrt, Erinnerungen an einen Bruder, der über Tauben sprach und die Frage, welche Dinge eine Stadt repräsentieren, und wie? Grenzen verwischen, Berge versinken im Wasser und Gedanken flitzen wie Kugeln im Flipperautomaten. (Maria Marchetta, Viennale)


„Es geht um einen Mann und eine Frau, die nicht mehr dieselbe Sprache sprechen. Der Hund, den sie auf Spaziergänge mitnehmen, greift dann ein und spricht. Wie ich es machen werde, weiß ich noch nicht. Der Rest ist leicht.“ Das hat Godard einmal über seinen Film Adieu au langage gesagt. Dass sich diese Sätze nun bei Imagine Language (Day_00, Day_03, Day_01) aufdrängen, ist seltsam. Liegen auf dem alten Kampfplatz Film-und-Sprache das „Adieu“ und das „Stell Dir einmal vor“ näher beieinander, als man denkt? Stell Dir vor, dass Chantal Kaufmanns Film nach dem Abschied von der Sprache in die Gänge kam. Stell Dir vor, dass sich die Sprache im Lauf der Arbeit zurückgemeldet hat, ihre alte Erklärer-Rolle aber nicht mehr besetzen durfte – weshalb es in diesem Film einen Zauber gibt, der sich durch Sätze nicht entschlüsseln lässt.

Drei Tage, drei Teile. Ein Strom aus Bildern, Gesängen, Tönen – und Schrift: zuerst in den Computer gehackt, dann im Untertitelformat. Die Sache bleibt offen und hermetisch zugleich: Fehler, Irrtümer, vorgeblich Unbedeutendes erhalten Raum, nur so kommt es zu umfassendem Austausch, zu Wechselwirkungen zwischen Klang-, Wort- und Bewegtbildgesten. Gedankenströme werden zu Erinnerungen, Assoziationen führen in schnellen Schnitten von der Taube zum Arm am Lenkrad, vom Taubenauge zum Menschenauge; Müdigkeit, das Taubenauge schwirrt, die Kamera zoomt auf die drei Buchstaben RAT, ein Bildblitz ist schon ein Gedankenblitz, bevor ihn die Schrift offiziell dazu macht.

Zuletzt hockt die Fahrerin am Fluss, sie hantiert mit einem Gummiband, bevor sie in einer Drehbewegung mit einer Überraschung aufwartet. Wenn Kunst auf die Welt blickt, ist immer die Hoffnung im Spiel, dass diese zurückschaut. Hier tut sie es: lachend, mit Spiegelbrille und falschen Vampirzähnen aus Dattelkernen. Eine Dattel und eine Verabredung: Stell Dir einmal vor, das sei dasselbe, sagt die Sprache, bevor sie sich wieder verabschiedet. (Regina Schlagnitweit)

Orig. Titel
Imagine Language (Day_00, Day_03, Day_01)
Jahr
2022
Länder
Österreich, Schweiz
Länge
9 min
Kategorie
Experimental, Artist Film
Orig. Sprache
Englisch
Untertitel
Englisch
Credits
Regie
Chantal Kaufmann
Kamera
Chantal Kaufmann
Musik
Annie Anxiety, Chantal Kaufmann
Schnitt
Chantal Kaufmann
Performer*in
Jonida Laçi
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2023
New York - Monticello Park Film Festival
Hurghada - International Youth Film Festival