Camera Test

Noch während das grüne Startband des 16mm-Films läuft, schwört schon der ratternde Sound auf eine Vorwärtsbewegung ein. Und in der Tat: Es geht vorwärts, es geht aber auch wieder zurück, vorbei an Hügeln, Tannen und Apfelbäumen – irgendwann zoomt der Blick hinein in die vermeintlich vorbeiziehende Landschaft, wird aber auch wieder weiter.
Durch das Aneinanderreihen von Aufnahmen, die im Rahmen eines Kameratests entstanden sind, konstruiert Siegfried A. Fruhauf eine filmische „Fahrt“, wobei die Landschaftsbilder jeweils durch mehrere, monochrome Frames des grünen Startbands getrennt sind.
Dadurch entsteht ein Stroboskop-Effekt, der kittend und irritierend zugleich ist: Er erzeugt Nachbilder und lässt die Landschaft trotz offensichtlicher Brüche als zusammenhängend erscheinen; gleichzeitig ist der zwischengeschaltete giftgrüne „Blitz“ ein unübersehbarer Hinweis, dass das hier keine „natürliche“ Fahrt, sondern eine filmisch konstruierte ist.
Ähnlich wie der Sound, der nicht auf einer linearen Tonaufnahme basiert, sondern auf dem stakkatoartig abgespielten und auf die Stereokanäle aufgeteilten Meeresrauschen, sind auch die Bilder nicht das Ergebnis einer Fahrt von A nach B, sondern die filmische Synthese mehrerer Kameraschwenks über die immer gleiche Landschaft.

Fruhauf arbeitet mit den feinen Unterschieden, die die Fließmuster von Schwenk bzw. Fahrt auf der Netzhaut hinterlassen, und er kennt die Knackpunkte des gerade noch Wahrnehmbaren: Angefangen beim präzisen Einsatz von vier Frames pro Aufnahme (darunter wäre der menschliche Sehapparat nicht in der Lage, die Stromleitungen oder den Gartenzaun zu erkennen) bis zur Rhythmisierung der Bilder, die aus einer „Fahrt“ durch heimische Gefilde einen deren Bestandteile durcheinanderwirbelnden Sturm werden lässt.
Während das Pfeifen der Vögel noch Linearität suggeriert, löst Fruhauf die Bilderfolge zunehmend auf: die Landschaft fällt auseinander, zieht nicht nur horizontal vorbei, sondern auch vertikal, schwankt hin und her, läuft zum Teil schräg über den Bildschirm hinaus.

In Zeiten des Klimawandels ist die imposante filmische Dekonstruktion der scheinbar intakten (Kultur)Landschaft ein eindrückliches Sinnbild der Krise: selbst ein Tannenbaum scheint gegen Ende den Kopf zu schütteln und den Betrachter*innen ein vehementes „Nein, nein, nein“ entgegenzurufen, bevor er kopfüber aus dem Bild fällt und man im Stroboskopgewitter vollends die Orientierung verliert. (Christa Benzer)

Orig. Titel
Camera Test
Jahr
2022
Land
Österreich
Länge
4 min 13 sek
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
Kein Dialog
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Credits
Regie
Siegfried A. Fruhauf
Konzept & Realisation
Siegfried A. Fruhauf
Sound
Anna Katharina Laggner
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
5.1 surround
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe, s/w
Festivals (Auswahl)
2022
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
Porto - Post Porto Doc
Santiago de Compostela - Curtocircuito (Lobende Erwähnung / Jugendjury)
Melbourne - Int. Film Festival
Vila do Conde - Festival Internacional de Curtas-Metragens
Wien - VIS Vienna Shorts
Linz - Crossing Europe Film Festival
New York - Light Matter Experimental Film and Media Arts Festival
2023
New York - Monticello Park Film Festival
Windsor - Media City
Jeonju - International Film Festival
Ann Arbor - Film Festival
Stuttgart - Filmwinter, Expanded Media Festival
2024
Windsor - Media City