vs
Bilder von Gebäuden, seltsamen architektonischen Strukturen, dazwischen Vegetation und viel blauer Himmel: Es könnten auf den ersten Blick Reisebilder sein, die Lydia Nsiah im Film vs verwendet. Doch so weit, die Bilder zu ordnen oder genauer zu analysieren kommt das Betrachter*innenauge nicht, denn sie werden durch eine spiralförmige Drehbewegung beschleunigt, verschoben, verzerrt, verwischt.
Die technische Apparatur dafür wurde von der Künstlerin selbst entworfen und bedient. Sie schickt die Aufnahmen von Serverfarmen und Datenzentren, die durch verschiedene Übersetzungsprozesse zwischen World Wide Web, abgelaufenem 16mm-Film, und digitalem Video entstanden sind, in einen metaphorischen wie buchstäblichen Strudel, der zum maschinellen Auge wird, das zurück- und uns, die Betrachter*innen, anblickt. Kurz sehen wir in den Abgrund des Ressourcenverbrauchs, den die Serverfarmen benötigen, um Abermillionen von Bits und Pixels zu speichern.
Die Komposition von Hui Ye verarbeitet die analogen und digitalen Geräusche der mehrteiligen Filmaufnahme. Es entsteht ein Soundscape aus Schichten und Samples, der den Film verräumlicht. Die Bewegung der Bilder, die spiralförmige Kamerafahrt wird dadurch zwischen Wiederholung und Stillstand angesiedelt und so zur unheimlich anmutenden „Unmöglichkeit“.
Wie bereits in älteren Arbeiten geht es Lydia Nsiah auch in vs um Aufzeichnen und Vergessen. Wie könnte ein im Sensorischen angesiedeltes „Körper Archiv“ (Julietta Singh) aussehen? Wen oder was schließen Datenspeicher und Archive aus? Können Leerstellen absichtlich in ein Archiv inkludiert werden? Der Strudel der Bilder, der hypnotische Sound von vs versetzen den gesamten Betrachter*innenkörper, nicht nur das Auge, in Unruhe, in einen Taumel, der dem Subjekt den ontologischen Grund entzieht. Durch dieses „Queering“ einer etablierten kinematographischen Mensch-Maschinen-Verbindung eröffnet sich die Möglichkeit zum neuen, anderen Umgang mit Gedächtnis, Bedeutungsproduktion und schließlich Kino. (Claudia Slanar)
vs (oder „virtual spiral“) beschäftigt sich mit den Dynamiken zwischen Körper und Zeit im Film. Digitales Video und abgelaufener 16mm Film bilden das Ausgangsmaterial für die audiovisuelle Transformation des Prozessualen von Zeit und (Film-)Körper durch spiralbewegte Kamerafahrten. Gegenläufige Bewegungen, Distanz und Nähe oder auch Tiefe und Oberfläche führen hier einen ständigen Dialog. Die Spirale zieht sich wie ein roter Faden durch den Film vs. Für den Effekt der Spiralbewegung hat die Künstlerin Lydia Nsiah eine Kamerafahrt-Apparatur erfunden, deren Bewegungen sie während der Filmaufnahme live gesteuert hat.
Im Bild: Found Footage Aufnahmen von Datenzentren, den physischen Körpern unserer allgegenwärtigen und gleichzeitig ephemeren Data Cloud. Der von der Künstlerin Hui Ye komponierte Sound stellt den hypnotischen, spiraligen Datenkörperbildern einen immersiven Klangraum gegenüber. (Produktionsnotiz)
vs
2021
Österreich
7 min 30 sek