LICHTHÖHE
Von wegen „Berge sind stille Meister“ (Goethe). Zumindest am Großglockner ist ganz schön was los. Oskar und Jörgen zum Beispiel, leuchtend blaue Schneefahrzeuge, die sich durch die Flocken kämpfen. Als sie sich endlich gegenüberstehen, erröten, erpinken, ergrünen und erorangen sie vor Aufregung, wie voluminöse Neon-Mauerblümchen bei einem verschneiten Nachmittagstanz. Doch noch eine weitere Spezies treibt es dort oben toll: Menschlich anmutende Neonwesen mit Köpfen, Armen und Beinen marschieren durch die dunkle Landschaft, tragen mit Neonklebestreifen umwickelte Stangen, als ob sie dem luziden Traum eines alpinen Vermessungstechnikers entsprungen wären. Wie Neonblumen des Bösen, vielmehr des Guten, erblühen Farben und Wesen im nächtlichen Berg. In einer Spalte schimmert eine fluoreszierende Erbsenschote, in der eine nackicht Erbse liegt, Verzeihung, es ist ein Mann. Schon treffen sich die Neonwesen zu einem „Ballet de Neige“: Reifröcke drehen und leuchten, bis einer einen Neonast zückt und eine Maschine erschießt. Der leuchtende Tuskenräuber reißt jubilierend die Arme hoch.
Doch es geht nicht um Kampf, sondern um Natur, besser: um „nature, nurture, culture“. Ein mit Neon bemaltes Gesicht wird in ein Neonmyzel geblendet, jemand pinkelt beiläufig gelbes Neonpipi in den Berg. Es läuft bis in die Spitze. Neon, das nur nebenbei, ist eigentlich ein reaktionsträges, farbloses Element, das erst durch Gasentladungen zum Leuchten angestachelt wird.
Das tun Thomas Hörl & Peter Kozek in Kooperation mit Viktor Jaschke: In ihrem psychedelisch-bergigen Stopptrick-Kunstfilm opponieren sie geologische Gegebenheiten mit künstlichen Mustern, stellen leuchtende Mode („culture“) in ein dunkles Bergmassiv („nature“), das aus sich selbst, seinen Pilzen, seinen Steinen lebt („nurture“). Und was eben noch der Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy hätte sein können, wird plötzlich zu Daft Punk: „Around the world“. (Jenni Zylka)
LICHTHÖHE
2021
Österreich
30 min