2020
Was fehlt in einer Zeit, in der Münder von Masken bedeckt werden? Am Anfang sieht man ein Ersatzgebiss. Dieses Stillleben eröffnet den Film, der das ominöse Jahr 2020 als Titel trägt. Schon der erste Blick spricht Bände: ein tabuisiertes Objekt, fast surrealistisch in seiner Einsamkeit, steht nackt vor uns. Erst in der folgenden Einstellung wird es kontextualisiert. Das gefürchtete Instrumentarium des Zahnarztes leistet dem Gebiss Gesellschaft. Eine weitere Einstellung zeigt die Filmemacherin selbst, die als Patientin die Qual der Werkzeuge spürt. Ihre Augen sehen nur noch das grelle Licht der Zahnarztlampe. Anstelle ihrer zahnlosen Mundhöhle erscheint dann das strahlende Bild eines zahngeschmückten Gesichts. Dann erscheint der Zahnarzt mit maskenbedecktem Mund in einem albtraumhaften Schwenk.
Friedl vom Gröller führt durch eine Erkundung der Menschlichkeit en miniature. Denn was sagen Zähne über Menschen? Sie markieren ihr Alter, ihre Klasse und Gewohnheiten – man könnte sagen, dass sich Zähne alles merken. Zumindest bis sie ausgerissen werden, und als Teil der Geschichte unseres Körpers verschwinden. Die Filmemacherin zeigt, was passiert, wenn die Maske vom Gesicht fällt und der im Jahr 2020 entfremdete Mund in all seiner Pracht plötzlich vor uns steht. Jung, alt, Tier, Mensch – alle tragen Masken und Maulkörbe und darunter zeigen sie ihre Zähne.
Zähne, die immer fast zu lachen scheinen, weil wir sie beim Lachen zeigen (wenn wir richtig lachen können, und Zähne haben). Es muss nicht lustig sein, aber sie scheinen trotzdem zu lachen – genauso wie die Prothese zu Beginn –, in einer selbstironischen Geste verwandelt sie die Künstlerin am Ende in einen Springteufel. Ja, 2020 war auch das Jahr des abwesenden Lachens und es tut gut, Zähne zu sehen.
(Ivana Miloš)
2020
2021
Österreich
2 min 20 sek