Liquid Loft - Stranger Than Paradise
Mit Jim Jarmuschs Eighties-Indie-Klassiker Stranger Than Paradise hat dieses hybride, subtil futuristische Kammerspiel für acht PerformerInnen und eine investigative Kamera ästhetisch wenig zu tun. Aber das Kino ist für Chris Haring und sein Avant-Tanzprojekt Liquid Loft seit dessen Gründung 2005 eine Art kommunizierendes Gefäß: Nicht nur hat man in Zusammenarbeit mit der Filmemacherin Mara Mattuschka etliche Choreografien zu sonderbaren Kinomeditationen verarbeitet (von Legal Errorist, 2005, bis Burning Palace, 2014), man findet auch, quer durch den Output dieser Compagnie, Anspielungen auf Regie-Eigenbrötler wie Andy Warhol (in der Imploding Portraits Inevitable-Trilogie, 2015/16), Alain Resnais (in Blue Moon you saw ..., 2020) oder David Lynch (in so gut wie allen Produktionen). Der mobile Spiegel ist in Stranger Than Paradise die zentrale filmische Metapher; er produziert manieristische Zerrbilder ebenso wie die Sehnsucht, in sein finsteres Wunderland zu stürzen wie einst Lewis Carrolls Alice oder Jean Cocteaus todessehnsüchtige Dichter. Malerisch verschwimmen in der kritischen Selbstbespiegelung die Farben und Formen.
Um Körper und Geist, Dehnung und Kontraktion, um animalische und Künstliche Intelligenz kreist diese Arbeit, die mit stark reduzierter Ausstattung arbeitet, ihr Assoziationspotenzial aber im Gegenzug radikal erweitert. Die Identitäten wechseln mit den Kostümen im Minutentakt, man kommt und geht, bleibt ganz bei sich und doch in der Gruppe, malt unsichtbare Zeichen in die Luft und auf den Boden, die Körper selbst bewegte Schrift, die erst noch zu entziffern sein wird. Es sind Tiermenschmaschinen, die hier auftreten, getrieben von hypnotischer Musik, von trancehaft verlangsamten Songs, die in das gleißende Weiß der Bühnenszenerie, später auch in die Darkroom-Atmosphären dringen. Das Paradies ist verloren, die Fremdheit bleibt. (Stefan Grissemann)
Liquid Loft - Stranger Than Paradise
2021
Österreich
46 min