Hiding in the Lights
"Masken werden aus verschiedenen qualitätsvollen Materialien gemacht: Karton, Samt, Fleisch, dem Wort. Die fleischliche Maske und die verbale werden zu allen Jahreszeiten getragen", schreibt die Künstlerin und Meisterin der mit Identität spielenden Verkleidung Claude Cahun 1926. Gleichzeitig ließe sich dieser Satz als Regieanweisung in Katrina Daschners Hiding in the Lights lesen. Denn in der gerafften abschließenden Version der achtteiligen Serie, die sich lose an Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" anlehnt, ist jede Folge einer anderen detailreichen Inszenierung von Orten und Körpern, Kostümen und Masken gewidmet, die sich aufwendig, materialobsessiv und faszinierend entfaltet.
Anders als in Schnitzlers literarischer Vorlage, in der die Maske als Zeichen der Scham gelesen werden kann, sind hier, wie auch bei Cahun, Masken und Kostüme komplexe Marker der Dekonstruktion von Fiktion und Realität, der Verschmelzung von performativer Identität und dem "wahren" Selbst.
Diese Ambiguität sowie die erzählten Fantasien durch das unausgelebte sexuelle Begehren des bürgerlichen Ehepaares haben die Filmemacherin am ursprünglichen Stoff interessiert. In der queeren Lesart des Texts schweift sie dann vom Geschehen ab in einen Reigen von Performancevignetten, in denen alles, von den Architekturdetails über Vorhangstoffe und Tapetenmotive bis zu nackter und bekleideter Haut, erotisch aufgeladen ist. Doch es sind nicht nur diese Aufladung sowie die fetischhafte Inszenierung, sondern auch das Verschmelzen und Animieren diverser Lebewesen, Stoffe und Materialitäten, die hier im alchemistischen Prozess des Filmemachens stattfinden: Pferde und Menschen vereinigen sich, hybride Pflanzenwesen werden geboren, Seeanemonen und Korallen treffen auf Flitter und Perlenschnüre.
Ironie, Theatralik und Humor, also puren Camp inszeniert Daschner ganz wunderbar, sei es im zweiten Teil, in dem die revuegirlgleichen Performerinnen sich unter dem Applaus der unsichtbaren tobenden Menge wieder und wieder verbeugen müssen. Oder im fünften Teil Pferdebusen, in dem der in beinahe allen Folgen auftretende Queer-Performance-Squad aus einer Vagina dentata steigt. Doch die Künstlerin kennt auch die Kinogeschichte und zitiert Varieté, Burlesque, Revue und Zirkus als kulturindustrielle Vorläufer des Kinos. Dessen Utopie, die Raum und Zeit, Fiktion und Wirklichkeit und nicht zuletzt heteronormative Ordnungen und Rollenzuweisungen implodieren lässt, kann sich in Hiding in the Lights behaupten. (Diagonale 2020, Claudia Slanar)
Hiding in the Lights
2020
Österreich, Deutschland, Spanien, Italien
72 min