Jochen
Mit 19 zog es Jochen nach Berlin. Um sein Studium zu finanzieren, verkaufte er geklaute Schallplatten und Gras. Später dann Heroin. Das Studium brach er ab und ging nach Afghanistan, um Marihuana nach Australien zu schmuggeln. Ein paar Jahre später ist er hier in der südlichen Toskana angekommen.
In zwei Monaten wird er siebzig. Der Film zeigt Jochens Alltag und seine Gedanken. An seine Zeit als Hippie, Dealer, Gefängnisinsasse, Vater und Landwirt. Es geht um den Umgang mit der eigenen Geschichte. Dem Erinnern und Vergessen. Um Vergänglichkeit. Ein Film über das Jetzt. (DF)
Mit seinen Pferden spricht Jochen Italienisch. Nach Abstechern um die halbe Welt hat es den Protagonisten von Daniel Fills Film in die südliche Toskana verschlagen. Davor hat er in einer Kommune gelebt, Hasch von Afghanistan nach Goa verkauft oder mit dem Auto nach Australien verschifft. Das Geld aus dem Verkauf von Drogen hat ihm das Haus in der Toskana ermöglicht – nicht gerade ein Anwesen, vieles ist improvisiert, aber immerhin.
Der Anfang des Films nähert sich seinem Protagonisten auf Umwegen, verharrt auf Details der Umgebung bevor die Dorfstraße, die Haustür und schließlich Jochen selbst ins Bild kommt. Der Film begleitet Jochen in seinem Alltag in der Gegenwart. Mit knapp 70 muss das Herz unterdessen in der Bar des Dorfes geölt werden. Doch auch die Erzählungen aus der Vergangenheit sind in dem Film nicht Geschichten von gestern, sondern lebendiger Hintergrund des Protagonisten. Wie die Erzählungen so kombinieren auch die Bilder des Films; weite Blicke, um die Geschichte zu umspannen, während nähere Einstellungen die kleinen Erzählungen in den Blick nehmen. Jochen verfällt in seinen Rückblicken nicht in romantisierenden Trott und der Film tut es ihm gleich, die Montage lässt ihn auch mal auf den Tisch hauen. „Irgendwas muss passieren.“ Der Wunsch nach Aufbruch, den Jochen als Jugendlicher verspürte, scheint Jahrzehnte später halbwegs gestillt. Erfahrungen durch Begegnungen und Drogenkonsum, eine Handvoll Abstecher ins Gefängnis, Lesen, Lernen, aber auch das Loslassen des eigenen Ichs haben Jochen verändert. Heute entspannt sich sein Alltag zwischen seinen beiden Pferden und Ausflügen in die Umgebung. Während Jochen am Ende des Films den Berg hinan schnauft, singt Rino Gaetano, enfant terrible der italienischen Cantautori der 70er Jahre von seinen Träumen der Anarchie. Ein Film vom Leben und Altern jenseits des Trotts. (Fabian Tietke)
Jochen
2020
Österreich
47 min