AQUAMARINE

"Aquamarin" meint nicht nur den bekannten hellblauen Farbton, sondern, dem zugrundeliegend, auch das Mineral Beryll bzw. wörtlich übersetzt: Meerwasser. Die Konstellation aus (blaugrüner) Farbe, Maritimem, Liquidem und nicht zu vergessen Mineralischem nimmt der Film AQUAMARINE zum Ausgangspunkt, um basierend auf dem gleichnamigen Track der Gruppe MOPCUT die genannten Komponenten in eine ruckelnde, wogende Schwebe zu versetzen. Das visuelle Ausgangsmaterial bilden Meeresansichten rund um die Insel Gomera, von oben, in Close-ups oder vom Schiff aus gefilmt. Zartblau schimmernde Schaumkronen, aber auch nächtliche Einstellungen auf den Horizont hin werden entlang der Musik bzw. ihrer Klangparameter in Zuckungen und (Zeit-)Krümmungen versetzt – Billy Roisz und Dieter Kovačič haben dabei ein eigens geschriebenes Programm zur Verfremdung der Bildrate eingesetzt. Die "Verflüssigung des Flüssigen" geht so weit, dass – sobald der gutturale Gesang einsetzt – ein geisterhaftes Flackern ebenso wie ein haltloses Schwanken den Bildraum überkommt. Eine Zeitlang wogt das von allerlei Chimären durchzogene Wellenkräuseln in unheilvollem Schwarzweiß. Auf dass zu immer dichter getakteten Soundtexturen blitzartige Erhellungen und Schraffuren den Blick wieder auf das bodenlose Hellblau lenken. Langsam schält sich aus den (Wasser-)Schichtungen eine Tiefe heraus, die zugleich spektrale Unterwanderung wie medialen Strukturzuwachs bedeutet. In immer neuen, zusätzlichen Farbnuancen wird so allmählich eine Art mineralisches Gerüst hinter der flirrenden Oberfläche sichtbar. Schicht für Schicht "kristallisiert" hier das Digitale und bleibt doch zugleich im Fluss. Ein Sinnbild im Hinblick auf die subtile Verfestigung unseres inzwischen an liquide Bilder gewohnten Sehens. (Christian Höller)

AQUAMARINE ist ein Video von Billy Roisz und Dieter Kovačič zur gleichnamigen Nummer des Trios MOPCUT (Lukas Koenig, Audrey Chen, Julien Desprez). Die Filmaufnahmen für AQUAMARINE entstanden alle im Februar 2019 auf und um die kanarische Insel La Gomera. Am Computer wurden die Bilder zur Musik bearbeitet und montiert. Unter den eingesetzten Effekten ist ein selbst geschriebenes Programm zum Angleichen der Bildrate an Tonparameter wie Lautstärke, sowie glitch-artige Videoartefakte, die auf bewusst eingesetzte Inkompatibilitäten in der MPEG-Kodierung beruhen.
Vorsicht: AQUAMARINE kann seekrank machen!
(Produktionsnotiz)

Weitere Texte

Viennale catalogue text 2019

The work of Billy Roisz, combining the media of sound and vision, aims for fusion, but also a fracture. The image and the music (often a “noise music”) always go in sync, frame by frame and pulse by pulse; and yet they never easily or comfortably fuse together – and one never simply generates or illustrates the other. In AQUAMARINE (made with Dieter Kovačič), the sea is rendered as no longer a beautiful, placid image but a fearsome, stuttering mass of energies, prodded or poked by Mopcut’s harsh music. STYX, with its rolling abstract lines and shapes of light, evokes fleeting details from the techno-graphic world of Godard’s ALPHAVILLE, but in colour, until the sea once again insists as an elusive, intermittently glimpsed background. SURGE (also made with Kovaačič) places us somewhere between figuration and abstraction: its displayed forms defy full visual comprehension, as they stretch and snap in strict accordance with the complex beats and sheets of sound created by schtum. Only very lazy critics could label Roisz’s complex, enthralling pieces as “music video”; she is, in fact, taking us into a new realm where image and sound achieve an unstable, forever disintegrating synthesis. (Adrian Martin)

Viennale Katalogtext 2019

Störung ist Programm in den Videoarbeiten von Roisz/Kovačič. Eine Farbe wird von der anderen konterkariert, das Bild regelmäßig vom Sound gepeitscht und gnadenlos vorangetrieben, die Abstraktion konkretisiert und munter re-abstrahiert, ja selbst der MPEG-Code ist vor Sabotage nicht sicher. In STYX werden wir durch einen zunächst gemächlich hypnotischen Strom, der in tremolierendes Glissando mündet, gen Unterwelt gezogen; SURGE kracht grauenerregend rhythmisch in Form eines metamorphen Geisterschiffs dem Höllenschlund entgegen und AQUAMARINE, so idyllisch der Titel klingt, vermag Schlagseite Richtung Seekrankheit auszulösen! Wer für seine Sinne einen Hafen sucht in dieser audiovisuellen Reisen, wird umso eher im Inferno landen. (Roman Scheiber)
Orig. Titel
AQUAMARINE
Jahr
2019
Land
Österreich
Länge
5 min
Kategorie
Experimental, Animation, Musikvideo
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
AQUAMARINE (Bild)
AQUAMARINE (Bild)
AQUAMARINE (Bild)
Credits
Regie
Billy Roisz, Dieter Kovačič
Musik
MOPCUT
Verfügbare Formate
DCP 2K flat
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264)
Festivals (Auswahl)
2019
Viennale - Vienna Int. Film Festival
2020
Santiago de Compostela - Curtocircuito
Annecy - Festival Int. du Cinema d'Animation
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
2021
Poznan - Shorts Waves Festival