Rost
Müde. Ausgezehrt. Als reschen Helden hat der Kärntner Benediktiner und Künstler Switbert Lobisser den Heiligen Christopherus nicht gerade dargestellt. Vielmehr hat der Zahn der Zeit an dem Riesen bereits erheblich genagt. Auf seinen noch immer kräftigen Schultern trägt er aber das Christuskind und damit die Last der ganzen Welt. Knorrig wie er, fast wie der Stamm eines uralten Weinstocks, ist auch der Prügel, auf den er sich dabei stützt. Sein Alter lässt die Mühsal dieser Mission noch viel schwerer wiegen.
Friedl vom Gröllers Film Rost beginnt mit einem Blick in das angestrengte Gesicht des Heiligen. Die Künstlerin selbst liest den Holzschnitt eher als "Höllenszene", vielleicht weil es so scheint, als würde die animierte Natur versuchen, den Hünen zu Boden zu zwingen. Aber der Held, der sich im Film erst langsam aus der Unschärfe herausschält, trotzt diesem Schicksal – vorerst zumindest – und gibt somit das Thema für Friedl vom Gröllers Figuren vor. Denn in Rost gilt es ebendiese Korrosion aufzuhalten: Drei so genannte Best Ager agieren nach dem Sprichwort "Wer rastet, der rostet", trainieren Muskeln, dehnen Faszien, bleiben im Fluss.
Der Fokus des Films, der sich mit Gegenlichtaufnahmen den harten Kontrasten des Holzschnitts angleicht, liegt dieses Mal allerdings nicht im Gesicht, sondern auf den bewegten Körpern, die die Kamera teils wie abstrakte Landschaften abtastet. Die Filmemacherin und Psychoanalytikerin provozierte ihre Figuren in früheren Werken oft durch Interaktion dazu, das Maskenhafte abzulegen und in der Mimik etwas von sich preiszugeben. In Rost ist es nun die Bewegung der Körper, die die Gesichtszüge zu beleben vermag. Und ganz im Gegensatz zum Antlitz des Christopherus sprechen diese nicht von Qual, sondern von Freude, ja sogar von Genuss. Sie strahlen selbstsichere Ruhe aus, kontern kindliche Ausgelassenheit mit würdevoller Bewegungsfreude. (Anne Katrin Feßler)
Rost
2019
Österreich
6 min