Antarctic Traces
Sich dem Geheimnisvollen, Unzugänglichen über die wenigen Spuren nähern, die aktuell davon verfügbar sind. Zugleich das Desolate und Verheerende einkreisen, das der Mensch in seinem Umgang damit hinterlassen hat. Dieser doppelten Aufgabe widmet sich Michaela Grill in Antarctic Traces, einer famos durchkomponierten Studie über den mysteriösesten aller Kontinente bzw. die davon zugänglichen Supplemente. Da ist zum einen die schroffe Küstenlandschaft von Südgeorgien, jener der Antarktis vorgelagerten Inselgruppe, die Grill in grandiosen, meist unbewegten Kadern ins Visier nimmt. Da sind zum anderen (überwiegend schwarzweiße) Archivbilder, in denen der thematische Fokus des Films, die Geschichte des Walfangs seit dem späten 19. Jahrhundert, historisch verankert liegt. Und da ist ein aus zahlreichen literarischen Quellen kunstvoll gewobenes Narrativ, das – aus dem Off gesprochen und mit subtilem Sound-Einsatz verflochten – diese höchst erbärmliche Episode menschlicher Naturausbeutung präsent werden lässt: die bis in die 1970er-Jahre anhaltende industrielle Abschlachtung von Robben, See-Elefanten und vor allem Walen, die in den Gewässern des Südatlantiks ihren brutalen Lauf nahm. In abwechslungsreicher Rhythmik aus Standbildern, Zeitlupen, minimalen Bewegtbildern und vereinzelten Kamerafahrten entfaltet Antarctic Traces das mosaikhafte Tableau einer "dead, chilly world": Gletscher, Skelette, Industrieruinen und verrostete Schiffe künden von der kompromisslosen Profitgier der "whaling industry". Derweilen bevölkern Pinguine und Robben als nicht tot zu kriegende Renitenzlinge das landschaftlich "vernarbte" Wasteland. Antarctic Traces schafft insgesamt das betörende Porträt jenes tödlichen Friedens, den der Mensch in einem abgelegenen Stück Erde bzw. Wasser angerichtet hat. Spuren einer ruinösen Freiheit, die abgrundtief im Nichts wurzelt. (Christian Höller)
Antarctic Traces
2019
Österreich, Kanada
30 min