Doppelgänger
In behutsamen Einstellungen tastet Michaela Taschek die Wohnküche im Haus ihrer Eltern ab, filmt den Frühstückstisch, dann den Hausflur, und schließlich das Badezimmer, in dem der Vater 2014 völlig unerwartet an einem Herzstillstand verstarb. Mit ruhiger Stimme erzählt die Filmemacherin aus dem Off eine verblüffende Geschichte, die mit dem Tod des Vaters weder ihren Anfang nimmt noch endet: Denn jener Morgen im Juni war nicht der Tag, an dem ihr Vater eigentlich verschwand. Bereits mehr als 20 Jahre zuvor – so ist sich die Tochter sicher – wurde Erich durch einen Doppelgänger ersetzt. Zärtlich blickt Taschek zurück auf eine Zeit, in der Vater Erich noch ganz er selbst war: Sie filmt alte Fotoalben ab, flicht Super-8-Fragmente aus dem Familienfundus ein und erinnert sich an einen geselligen und wendigen Mann, der das Leben feierte, bevor er einem zunehmend wortkargen und eigenbrötlerischen Doppelgänger weichen musste. In ihrer essayistischen Suchbewegung lässt die Filmemacherin die Fotografien von damals zu Kippbildern werden: Ein blasser Nebel aus Unschärfe umgibt die teils grisseligen Momentaufnahmen, die die Filmemacherin in ihrer dokumentarischen Fiktion neu befragt, um die Winkelzüge einer Verwandlung herauszuschälen und jenes Zeitfenster in den achtziger Jahren aufzuspüren, in dem der Vater – zunächst unbemerkt von der Familie - durch ein unnahbares Duplikat ausgetauscht worden sein muss.
Entlang der Erinnerungen an beide Männer zeichnet Michaela Taschek mit Doppelgänger ein feingliedriges Portrait und entfaltet einen filmischen Denkraum, in dem sich Facetten eines Abschieds in einer ungewöhnlichen Art des Schauens verdichten. (Jana Koch)
Doppelgänger
2018
Österreich, Deutschland
20 min