Haus der Regierung
Der Titel benennt eine Luxuswohnanlage in Moskau, erbaut um 1930 für stalinistische Funktionäre. Zu sehen ist das so nicht wirklich, aber doch: in Form des Innen und des Dachs eines leerstehend wirkenden Hauses: dunkle Stiegenhäuser, Zimmer, Gänge, Säle, etwas nächtlicher Großstadthintergrund. Vor allem aber zeigt – ist – der Film Vibration: Eine schemenhafte Gestalt (am Ende zwei) bewegt sich zappelnd durch diese Räume, an hellen Fäden, die wie ein riesiges Netz wirken. Die Vibration erfasst das ganze Ambiente – das Haus, das Bild: Es zuckt in Stop-Motion-artigen und lichtwechselbewirkten Nicht-Bewegungen.
"Zeitskulpturen" nannte Jacques Aumont (mit einem Tarkovskij-Begriff) Kurt Krens nicht ganz unähnliche Vibrationsfilme einmal. Der Filmemacher Herwig Weiser arbeitet u.a. im Bereich skulpturaler Filminstallation. Sein Durchzittern eines Hauses geht vom Räumlichen ins Zeitliche über (und die Soundscape vom Drone ins Ätherische). Vermittelt ist dies über Resonanzen mit Spukhausfilmen und über das Motiv der Projektion: Licht fällt ein, Netzfäden gleichen Lichtstrahlen, ein Saal in dem Riesenhaus ist ein Kino, erinnert also an die Situation, in der wir gerade vor dem Film sitzen, gespannt wie die Gestalt im Netz.
Erinnern, Projizieren, Sich-versetzen. Das Haus vibriert. Es bleibt nicht stehen – beim Staatsbürokratie-Moloch, von dessen Geschichte es als Ruine zeugt. Als Gedächtnis versammelt das Haus neben Vergangenheiten (auch kunst- und filmhistorischen, wie sie Daniel Kothenschulte hier zu Vertov, Op-Art, Polanski und Tscherkassky zurückverfolgt hat) auch Anmutungen einer Gegenwart und einer Zukunft. Dass Regierungen nicht nur Zäune und Mauern, sondern wieder massive Häuser bauen, die zittern machen, werden wir auch noch erleben. (Drehli Robnik)
Jury Statement "SHORT RIGA Grand Prix 2018" (Preis (Auszeichnung))
The international jury unanimously agreed: The award deserved to be given to this socially motivated film that uses genre styles in a very peculiar and artistic way, always avoiding cliches. For being a socially motivated abstract horror film blending together performance art with a spooky sound design and a very accurate and extreme research on the mise en scène through a hypnotic light setting, the award goes to a picture that, in our opinion, is all that an experimental film should be, really experimental.
The Grand Prix goes to Gouvernment House by Herwig Weiser.
The members of the SHORT RIGA International Jury 2018:
Per Fikse, the director of Minimalen Short Film Festival in Trondheim, Norway,
Chintis Lundgren, animator and Chintis Lundgreni Animatsioonistuudio co-founder,
Jānis Putniņš, director of the National Film School of the Latvian Academy of Culture,
Ieva Viese-Vigula, Latvian writer and film critic as well as
Enrico Vannucci, Short film advisor for the Venice and Quebec City Film Festivals.
Haus der Regierung
2018
Österreich, Russland
11 min