Unearthing. In Conversation
Der Film zeigt eine Performance. Doch die Plätze im Theater sind noch leer, als die Performerin – die Künstlerin – ins Bild tritt. Sie spricht von einem "kolonialen Flashback", von einer Begegnung, die für sie offenbar von großer Bedeutung ist, und sie spricht jemanden oder eine Gruppe mit "du" an. Wir erfahren, dass sie von einer Reihe historischer Fotografien "verfolgt" wird, die den österreichischen Ethnographen Paul Schebesta in den 1930er Jahren in der belgischen Kolonie Kongo zeigen.
Das "du" des Films richtet sich nicht an die Kolonisatoren, sondern an die Kolonisierten, besonders an diejenigen, mit denen sich Schebesta fotografieren ließ. Gleichzeitig scheint das "du" auch mich als Zuschauer*in anzusprechen, auch ich werde Teil der Begegnung. Aber wer genau ist dieses "du", das der Film erwähnt? Bin ich das bevorzugte Publikum des Films? Die Position der Betrachter*n wird verunsichert: Ein*e weiße*r Zuschauer*in, Bürger*in eines Landes mit einem kolonialen Erbe, kann nun nicht mehr davon ausgehen, das ideale Publikum zu sein, unmarkiert und universell.
Die historischen Fotografien, welche die Performerin aus Schachteln herausnimmt und auslegt, werden für die Zuschauer*innen nur über ihre Schulter hinweg sichtbar. Die Performerin-Künstlerin hat bereits Verantwortung übernommen für das, was sich im Archiv befindet, und hat es bearbeitet – ein Prozess, den die Akademikerin Christina Sharpe als "Schwarzes Editieren und Schwarze Annotation" (Black redaction and Black annotation) bezeichnet: einen anderen Blick auf Schwarz-Sein (Blackness) und eine Sichtweise, die erlaubt, "das zu sehen, was jenseits des Rahmens liegt." "Wie lässt sich durch Sehen Widerstand leisten?" fragt die Performerin, während sie mich, die Betrachter*in, mit ihrem Blick fixiert.
In poetischen und präzisen Worten beschreibt und zeigt die Performerin verschiedene künstlerische Möglichkeiten, sich mit den Fotografien auseinanderzusetzen; es gibt jedoch nie eine "richtige" Art und Weise, dies zu tun. Man kann einen Körper zwar vor eindringlichen Blicken beschützen, wenn man die abgebildete Person verdeckt, diese Geste ist dann aber auch am Prozess der Auslöschung beteiligt, da sie den Körper unlesbar macht. Die Begegnung verlangt nach einem double bind, den der Film unternimmt: Widerstand im kolonialen Regime erfordert ein stetiges, unerschütterliches Entgegenhalten, welches jedoch zugleich Platz für Unsicherheit, Neugier und Verwundbarkeit lässt. (Renate Lorenz)
Übersetzung: Nine Eglantine Yamamoto-Masson
Unearthing. In Conversation
2017
Österreich
13 min