Into The White - Portrait eines Freundes
Am Anfang fühlt sich das Morphium kuschelig an, man kann die Augen schließen und träumen. Das Problem ist nur die Hemmschwelle. Die verliert man mit der Zeit. Und plötzlich ist der Moment da, in dem man erkennt, dass die Sucht einen fest umklammert hält. Unglaublich intim, in fragilen Schwarzweiß Bildern porträtiert die Filmemacherin ihren drogenabhängigen Kindheitsfreund. Aufnahmen vom rauchenden Protagonisten im nebelverhangenen Linz mischen sich mit atmosphärischen Gitarrensounds und den bestechend ehrlichen Statements des gezeichneten Träumers. Das kristalline Pulver, das zum Konsumieren aufgelöst und erhitzt wird, erscheint als Zufluchtsort vor der trostlosen weißen Winterlandschaft. Die Handkamera befindet sich dabei stets auf Augenhöhe, um der Sucht ein aufrechtes Gegenüber zu geben und den Menschen dahinter zu zeigen.
(Diagonale/ Anna Steinbauer)
Er zieht sich die Mütze fester über den Kopf und flieht durch das winterliche Linz, dick in Nebel getaucht. Er steht rauchend in der Landschaft, sein Atem und der Rauch und der Dunst legen sich gemeinsam wie ein Filter über das Bild, das sich dann beinahe auflöst. Es ist ganz grob und körnig, außer Fokus. Sein Körper verliert jede Kontur, scheint durchsichtig, eine Art Fata Morgana, grau auf grau. Morphium ließ ihn träumen. Aber jetzt ist das Leben ein Traum geworden, er besteht aus Filterkaffee, Sicherheit, Ritualen, einer Familie und einem Hund und dem Wunsch, nicht einsam alt zu werden.
Isabella Brunäckers Film Into the White trägt als Untertitel Portrait eines Freundes. Das Portrait ist zunächst ein fotografisches. Die Bilder sind immer in Bewegung, nah, halbnah oder in der Totalen: sie tanzen stetig in Brunäckers Händen, suchen zwischen Schwarz und Weiß das Grau und die Unschärfe. Der Portraitierte schaut unverwandt in die Kamera, ausdruckslos oder Abstand gebietend oder zärtlich lächelnd: von Beginn an konfrontiert er uns mit seinen verschiedenen Gesichtern und unterschiedlichen Daseinszuständen. Er überlässt seinen Körper der Kamera, posiert auch mal. So wird er zum Mitautor seines Portraits, indem er sich zeigt oder sich willig spielt, indem er mit-inszeniert. Und vor allem, indem er aus dem Off spricht.
Die Geschichte, die er erzählt, ist die seines Drogenkonsums und seiner Abhängigkeit. Er beschreibt die Anfänge und die Folgen, die sozialen Aspekte. Zielsicher wählt er seine Worte, er spricht von Nahtod-Erfahrungen, von Glück und Unglück, davon, dass man sich etwas so lang einredet bis es chronisch geworden ist. Die Frage nach dem Aufhören wird gestellt und verhallt, ohne Antwort. Der Schock, der an Menschen abzulesen ist, die ihn nach langer Zeit wiedersehen … sie werden zum Spiegel seines Verfalls. (Sylvia Szely)
Into The White - Portrait eines Freundes
2017
Österreich
14 min