IMPASSENGER
Die erste Einstellung zeigt Reflexionen auf dem Wasser – ein unbestimmtes Funkeln in der Nacht. Gleich darauf die Aufnahme einer Frau, die sich zaghaft an ihrer Handtasche festklammert. Seltsam entfremdet, heimatlos stellt sie sich dar. Es sind die Gesten, die im Zerrspiegel eines diffusen emotionalen Zustands zu sprechen beginnen. Der Blick der Kamera bleibt an dieser Protagonistin haften, deren eigener Blick nach innen gewandt ist. In längeren Zwischenaufnahmen rückt eine Schneelandschaft ins Bild – mächtige Bäume, durch die der Wind streicht – ein sublim-zerebrales Tableau. Weite Nebelschwaden bleiben an Wurzelwerk hängen und kristallisieren in vereistem Geäst. In der Montage werden diese zu Projektionsflächen für Paranoia und Isolation – die Zeit selbst scheint hier zu gefrieren. Auf unheimliche Art entrückt ist auch der Ton: Akustische Fragmente blitzen auf, wechseln sich ab mit totaler Stille. Immer wieder flackert chaotischer Verkehrslärm auf, der gleich darauf wieder verebbt.
Durch diverse Verfahren der Dopplung, Spiegelung und Variation führt der Film uns immer tiefer in die Angstzustände eines Schattenwesens, das seltsam an der Oberfläche zu schweben scheint, während sein Gefühlsleben im Zerrspiegel der Umgebung zurückgeworfen wird. Ben Pointekers IMPASSENGER umschreibt einen emotionalen Resonanzraum und lässt das Kino dabei haptisch werden. Kristalline Zeit-Bilder formulieren sich zu einem taktilen Alphabet zwischen introspektiver Landschaft und externalisierter Emotionalität. Dabei lotet er das Verhältnis von Nähe und Distanz neu aus, und lässt das Objekt der Investigation schließlich zum Subjekt gerinnen. (Shilla Strelka)
Räume werden zu Akteuren. Sie umschließen die Protagonisten, die wie en passant in ihnen aufgehen. DarstellerInnen in dampfenden Straßenszenen konfrontieren mit unwirklichen Orten. Narrative Aufbrüche brechen ab, Szenen werden auf sich selbst zurückgeworfen, eingekeilt in einer iterativen Struktur, aus der auch die Verheißung fantastischer Landschaften keinen Ausbruch eröffnet. Aus ihrer Örtlichkeit gelöst werden Räume Realität und Fantasie zugleich. Ich arbeite mit Rissen zwischen Szenen und Assoziationen, denn ich interessiere mich für den Zwischenraum der sich auftut – in der Form einer affektiven Kluft. (Ben Pointeker)
IMPASSENGER
2017
Österreich
6 min