Herzensangelegenheiten

Herzensangelegenheiten, eine Serie von fünf stummen Operationsfilmen in schwarzweiß, wurde mit der 16mm-Bolex im OP-Saal gedreht: Herz, Bauch, Blutfluss, Wirbel, Auge/Hand. Zwei Choreographien verschränken sich: die der Chirurg_innen und die des intuitiv-konzeptionellen Kamera-Schnitts während des Drehens. Oft endet das extrem verdichtende Material, bevor die Operation endet, reißt im Weißen auf. Aufwendige Vorbereitungen gehen der Filmarbeit von Christina Lammer voraus: Mit der digitalen Bolex probt die Künstlerin und Soziologin vor Ort, macht Skizzen und studiert die Zeitabläufe ein. Konzept und Vertrauensbasis erarbeitet sie gemeinsam mit allen Beteiligten: "Die Aushandlungsprozesse - nicht nur mit den Patient_innen, die mir erlauben ihre Operationen zu filmen, sondern auch mit der gesamten Krankenhausverwaltung und der medizinischen Ethikkommission - sind in der Tat ziemlich komplex. Mit den Patient_innen komme ich gut zurecht. Ich bitte sie um Zustimmung und erzähle im Detail, was ich vorhabe, wie ich mit den Bildern umgehe. Da sie bei fast allen Operationen nicht als Personen zu erkennen sind, erlauben sie mir gerne, im Operationssaal zu filmen. So lange die Patient_innen im Krankenhaus sind, gehe ich sie auch regelmäßig besuchen. Das gehört für mich dazu und fließt in die weitere Film-und Videoarbeit intuitiv oder als Erfahrung ein. Unkompliziert ist bei dieser Form von Filmen gar nichts." (Ch.L.)

Die Haut als lineare Grenze hat sich in der Moderne mit dem bürgerlichen Individuum entwickelt, es gab Zeiten, da wurde sie als durchlässiger wahrgenommen, als poröses Gewebe, das potentielle Öffnung sein kann. In Lammers Filmen sind es hell behandschuhte Hände mit sauber glänzendem Operationsbesteck, die das Terrain abstecken, die Berührung mit den Flüssigkeiten, Geweben, Gedärmen und Organen des geöffneten Körpers vollziehen - und den "kleinen spezifischen Schrecken, den Choc" (W. Benjamin) zu Tage fördern. Taktile Eigenschaften strukturieren den Blick in dieser somatischen Kontaktzone. Ein präziser Schnitt, die pulsierende Bewegung des Herzens in der Tiefe des Körpers, sprudelndes Blut, beherztes Umgreifen eines Organs, fädelnde Hände, ein winziger Nerv - all dies in den feinen weichen Grauwerten des empathischen Filmmaterials. (Madeleine Bernstorff)

Orig. Titel
Herzensangelegenheiten
Jahr
2016
Land
Österreich
Länge
19 min
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Kein Dialog
Credits
Regie
Christina Lammer
Konzept & Realisation
Christina Lammer
Produktion
Christina Lammer
Mit Unterstützung von
BKA. Kunst
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
16 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Stumm
Bildfrequenz
18 fps
Farbformat
s/w
Festivals (Auswahl)
2017
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films