15/67 TV
Kren: Ich war in Venedig und wartete in einem Café auf Freunde. Die haben sich aber verspätet, und mir wurde langsam fad. Zufällig hatte ich die Kamera mit, und so machte ich fünf Aufnahmen von meinem Sitz aus durchs Fenster aufs Meer hinaus. In Wien hatte ich die Idee, die fünf Aufnahmen 21mal in der Kopieranstalt vervielfältigen zu lassen. Diese 21 mal 5 Aufnahmen wurden dann in einer bestimmten Reihenfolge, die ungefähr wie ein Kinderreim, ein Auszählreim war, montiert.
Hans Scheugl: Warum heißt der Film TV?
Kren: Weil ich´s wie ein Fernsehen aufgefaßt habe.
H. S.: Das Bild, das man draußen sieht?
Kren: Ja, sozusagen. Es ist das ganze in die Ferne gesehen.
(Hans Scheugl: Die Filme, Eine kommentierte Filmographie, in: Scheugl, Hans (Hrsg.), Ex Underground Kurt Kren, Seine Filme)
Repetiver Einsatz von Motiv-Segmenten, die mehr oder weniger aus Schwarzfilm herausblitzen, erhebt in TV Zufallsbeobachtungen auf einer Uferpromenade zu allgemeingültigen Kompositionen einer Chronologie des Zufalls.
(Claus Philipp)
Statt sich auf eine ausschließlich kinetische Ebene oder einen raschen Wahrnehmungsrhythumus zu konzentrieren, bezieht TV sein Publikum in eine konzeptuellen und reflexiven Prozeß mit ein.
(Malcolm Le Grice)
Malcolm Le Grice zu 15/67 TV von Kurt Kren
Jede dieser kurzen Einstellungen kleiner Bewegungen wird im Film nach einem mathematisch determinierten System 21 mal gezeigt. Zwischen den Wiederholungen findet sich - ähnlich einer Punktuation - Schwarzfilm. Manchmal sieht man dieselbe Einstellung hintereinander, manchmal tauchen alle fünf Einstellungen in einer der Phasen auf. Das Entscheidende liegt nun nicht an der mathematischen Struktur selbst, sondern daran, wie das Publikum sich ihr nähert. War auch der reflexive Zugang zur Filmstruktur selbst bei einigen anderen europäischen Filmemachern zu dieser Zeit wichtig geworden, verschob doch niemand so deutlich die strukturelle Aktivität aus dem Filmzentrum heraus in die Rezeptionsarbeit des Betrachters - was in gewisser Weise Hollis Framptons Zorns Lemma vorwegnahm. Was TV gegenüber Zorns Lemma weiters auszeichnet, ist die präzise Kontrolle der Bildinhalte und ihrer Bewegungen auf anderen Ebenen als bloß der systematischen.
Die Bewegungsqualitäten innerhalb der Einstellungen hängen direkt mit deren Länge sowie der der Zwischenräume zusammen; solcherart durchläuft der Betrachter verschiedene Phasen der Reflexion - zunächst werden die Bilder erkannt, definiert und erinnert, sodann ihre Abfolgen wahrgenommen und ebenfalls über die Erinnerung verglichen; diese reflexive Aktivität steht in einem ständigen Austausch mit den kinetischen und assoziativen Aspekten der Bilderfolgen und ihrer Verteilung. (1977)
Michael Palm zu 15/67 TV von Kurt Kren
Aus dem Warten der Mädchen wird ein lieblicher Tanz, das Schiff im Hintergrund findet Gefallen daran, sich immer wieder träge durchs Bild zu schieben, während die graue Eminenz im Vordergrund das Geschehen auf seltsame Weise unter Kontrolle zu haben scheint und im wiederholten Entziehen des Bildes sich ihren Spaß mit uns macht. An den Gestaden scheint alles zu warten und sich in der Zwischenzeit mit tänzerischen Bewegungen zu vergnügen.
Aus den kleinen, unbedeutenden Momenten ist durch die zyklische Neustrukturierung eine kleine Sonate über das Warten entstanden, die in der Choreographie der Wiederholung immer neue Differenzen zutage zu fördern vermag.
(Michael Palm: Which Way?, Drei Pfade durchs Bild-Gebüsch von Kurt Kren, in: Hans Scheugl (Hrsg.), Ex Underground Kurt Kren. Seine Filme, Wien 1996)