not even nothing can be free of ghosts
Die audiovisuellen Kompositionen von Rainer Kohlberger sind stets heftige Attacken auf das menschliche Wahrnehmungssystem. Mit herkömmlichem Film und Video haben seine algorithmischen Werke wenig gemein. Er verzichtet völlig auf jegliche Art von Bildlichkeit und Referentialität, weder kamera- noch computergenerierte Motive tauchen in seinen Arbeiten auf. Ein weiteres Indiz für die Abkehr von den klassischen Bewegtbildmedien ist der Umstand, dass er mit höheren Frameraten als gewohnt arbeitet; im vorliegenden Fall sind es dreißig Bilder pro Sekunde. Kohlberger nutzt auf radikale Weise die Möglichkeiten, welche die gegenwärtige, digitale Projektionstechnologie bietet. Was ihn jedoch ideengeschichtlich mit den Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts verbindet, ist die stete Suche nach einem Nullpunkt, so wie die Lust am technischen und ästhetischen Experiment.
Auf die Retina treffen keine Laufbilder, sondern Impulse und Wellen aus purem Licht. Die extremen Hell-Dunkel-Intervalle variieren unablässig und gipfeln in einem schwarzweißen Stroboskopgewitter. Abstrakte "Geistwesen" manifestieren sich im digitalen "Nirvana". Die intentionale Überforderung des menschlichen Wahrnehmungsapparates führt darüber hinaus zu Bildeindrücken, die ausschließlich im sprichwörtlichen "Auge des Betrachters" erscheinen. Diese "Geister" erscheinen aus dem "Nichts" und bestehen aus "Nichts", es sind bloße Halluzinationen, welche das imperfekte humanbiologische Datenverarbeitungssystem hervorbringt. Die rein synthetischen Klangflächen führen im Zusammenspiel mit den pulsierenden Kurven- und Linienformen zu einer Art meditativer Entrückung.
Kohlbergers audiovisuelle Experimente offerieren dem Publikum starke physische wie metaphysische Erfahrungen, die weit über das im Kino Gewohnte hinausgehen. Bildfläche und Bildraum verschmelzen in einen (Bewusstseins-)Zustand, in dem Kategorien wie real und irreal, materiell und immateriell und 2D und 3D als obsolet erscheinen.
(Norbert Pfaffenbichler)
not even nothing can be free of ghosts
2016
Österreich, Deutschland
11 min