Höhenrausch

Die Serie Carte blanche ist ein Arbeitszyklus, wo jeweils die abgebildete abgeschlossene "Idealwelt" einer Postkarte in analoger Weise, innerhalb des Bildes, verändert wird. Ohne Zu- oder Wegnahme von Material entsteht eine neue Realität, die die vorhandene und die Starrheit des immer Gleichen auflöst. Im Fall von Höhenrausch wird diese Technik zum Film. (Christian Ruschitzka)


Wer schreibt heute noch Postkarten? Wer mit Stop-Motion-Werkzeugen aus der Frühgeschichte des Animationsfilms so arbeitet, dass die Bewegungsillusion auch wirklich sichtbar wird, möglicherweise immer noch – oder schon wieder. Zu sehen ist auf diesem filmischen Kurzformat zunächst eine mit Verzögerung zum Ton eingeblendete Postkartenrückseite. Eine Frauenstimme verliest zügig das Gedicht Der Empfang von Konrad Bayer, das die Verkettung von Namen durchdekliniert, deren Träger einander stafettenartig die Hand geben. "Carte Blanche" heißt es in der linken oberen Ecke anstatt einer Briefmarke. Unten sind zwei grobe Umrisse zu sehen, die mit einem Klebeband auf der Karte befestigt sind. Zudem beinhaltet die Karte die Adresse der Wiener Secession.

Eine Postkarte erscheint uns fast als Fläche, die Secession birgt den angeblich ersten White Cube der Kunst. Die Postkarte kann mit allem Möglichen bekritzelt werden. Da die Empfängerzeile leer bleibt, kann man die Fläche auch metaphorisch als eine Carte Blanche verstehen.

Christian Ruschitzka lässt im ersten Teil des Films, der aus 160 Einzelkarten besteht, eines der beiden nebeneinander stehenden Menschlein hoch- und dann wieder hinabsteigen. Die Überschreitung der leeren Adresszeilen im oberen Postkartenteil wirft synchron eine Linie auf den Umriss der am Boden bleibenden Figur. Nach einer Schwarzblende sehen wir die (gleiche) Bewegung vor dem Hintergrund des "Krauthappels". Alles ist nun ein Spiel mit dem Raum, nicht mit der Fläche. Diesmal steigt die mittels einer Stanzform ausgestanzte Figur, es ist der Architekt Josef Olbrich in Anzug und Zylinder, entlang zweier Masten hoch. Ihr Pendant ist nur Umriss und scheint sich am Boden zu drehen. Doch auch dieser Eindruck ist nur Resultat von filmischen Bewegungseffekten, ist Illusion einer Illusion – nämlich eines imaginären Schattens, den die Figur auf der Rückkehr von ihrem Höhenrausch auf die am Boden gebliebene Kontur wirft. Am Ende sind beide Figuren eins. Der Abspann des Films schreibt sich auf die nun querliegende Postkarte ein: DIY-Zauberei. (Thomas Edlinger)

Orig. Titel
Höhenrausch
Jahr
2015
Land
Österreich
Länge
2 min 30 sek
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Deutsch
Downloads
Höhenrausch (Bild)
Höhenrausch (Bild)
Höhenrausch (Bild)
Credits
Regie
Christian Ruschitzka
Konzept & Realisation
Christian Ruschitzka
Textautor*in
Konrad Bayer
Stimme
Sasha Pirker
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264)
Bildformat
16:9
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe, s/w
Festivals (Auswahl)
2015
Viennale - Vienna Int. Film Festival
2016
Regensburg - Kurzfilmwoche