Rotation
Schon der Titel gibt Auskunft über die experimentelle Anordnung, die dem Video zugrunde liegt: Rotation setzt sich aus mehreren manuellen 360-Grad-Schwenks zusammen, die bei hoher Geschwindigkeit den immer gleichen Landschaftsstrich und die vier Jahreszeiten ineinander übergehen lassen. Die Arbeit des bildenden Künstlers Herbert Distel – mit der Tänzerin und Malerin Petra Otahal hinter der Kamera – leitet ein wildes Fangenspiel von Chaos und Struktur ein, das einen unaufgeregten Blick in die Welt wirft, der verändert zu uns zurückkehrt.
Ähnlich wie ein Kind, das sich mit wirbelnden Armen um die eigene Achse dreht und für das lustvolle Sinnesabenteuer den nachfolgenden Schwindel in Kauf nimmt, treffen auch in dieser Anordnung Spiel und konsequente Durchführung aufeinander, um konventionelle Formen der Wahrnehmung zu subvertieren. Im Unvermögen des menschlichen Auges, die vorbeifliegende Landschaft ausreichend zu erfassen, formiert sich der Inhalt des Bildes neu. Durch die Geschwindigkeit überlagern sich Bild und Nachbild, schichten sich Gegenwart und Vergangenheit um und lassen das Verhältnis von Raum und Zeit brüchig werden. Sukzessive wird die Zweidimensionalität der Leinwand erfahrbar gemacht. Die Tiefe des Bildraums verschwindet, während der Zuseher auf seinen Körper verwiesen wird. Orientierungslos und ohne Fixpunkt muss man erst lernen sich im Bild zurechtzufinden. Was bleibt sind die Farben der Gräser und Sträucher, das nervöse Flirren additiver und subtraktiver Muster, die sich unablässig neu zueinander formieren. Das Resultat ist ein rauschhaft abstrahiertes Bild, vergleichbar mit einem impressionistischen Gemälde. In der konstanten Kreisbewegung bleiben Schnitt und Montage schließlich erstaunlich unbemerkt. Erst nach und nach wird klar, dass hier unterschiedliche Aufnahmen montiert wurden. Gedoppelt wird das Motiv der Repetition im Soundtrack des Videos, der vom Filmemacher selbst stammt. Atemlos diktiert dieser die Geschwindigkeiten, unterstützt die Drehbewegung der Tänzerin und somit des Bildes und stabilisiert auf diese Art das Gesehene.
Distel zeigt mit seiner Arbeit, dass das abstrakte Bild in die eigentliche Bildinformation immer schon eingeschrieben ist. Er macht Verfahrensweisen des Minimalismus und filmischen Strukturalismus stark, und formt diese zu einem Stück ekstatisch-meditativen Körperkinos. (Shilla Strelka)
Rotation
2015
Österreich
15 min