Schwerelos
Stadt. Körper. Konzentration. Es ist ein urbanes Setting, in dem sich ein junger Mann auf das kommende fokussiert: Mit einer Rolle bewegt er sich rückwärts von einer Mauer herunter, läuft weiter und bewältigt in elegant fließenden Bewegungen eine Reihe weiterer Hürden, bis er sich am Ende hinkniet und erneut konzentriert. Danach Schnitt - und die bekannte Poetry-Slammerin Fatima Moumouni kommt ins Bild. Vor dem Hintergrund eines Bahnhofsareals mit Güterwagons und Hochhäusern beginnt sie ihren Reim über das Leben und Heranwachsen in der Großstadt, in der jeder seinen Platz finden muss: "Ich bin ein Stadtkind, geboren im Smog." Während sie sich einer poetischen Praxis bedient, in der subversive Nutzung der Stadt in Reimform beschrieben wird – "Guck wie melodiös ich an Wände schreib und jeden Meter nutz" –, setzen in dem Video eine Reihe junger ParkourläuferInnen diese Besetzung des öffentlichen Stadtraumes auch ganz buchstäblich um.
In Bildern, die Jannis Lenz parallel zu dem Auftritt von Fatima Moumouni geschnitten hat, sieht man kleinere Gruppen, aber auch einzelne LäuferInnen, die offenbar nichts und niemand aufhalten kann: Über Stiegen, Geländer und Barrikaden hinweg führen ihre zum Teil halsbrecherischen Aktionen, denen er mit spektakulären Kamerafahrten etwas sehr Schwereloses, manchmal fast Tänzerisches verleiht.
Vom Handstand über den Salto bis zum Weitspringen reicht schließlich ihr Repertoire der Körperbeherrschung, das – angewendet im Stadtraum – immer auch einem Davonlaufen gleicht. Jannis Lenz betont diese subversiven Aspekte und lädt den Parkourlauf mit Inhalten auf: Schließlich werden diese Praxen der Benutzung des öffentlichen Raums zu einem sehr wichtigen Statement gegen dessen hermetische Verbauung, da diese – wie der Film zeigt – die ParkourläuferInnen immer wieder an die Ränder der Städte, etwa auf die Donauplatte beziehungsweise nach Aspern treibt. (Christa Benzer)
Über drei Jahre habe ich eine Gruppe von Traceusen und Traceuren, wie sich Parkour-Ausübende selbst bezeichnen, in Wien mit der Kamera begleitet. Beim Parkour geht es darum, Mauern und Hindernisse im urbanen Raum zu überwinden. Und um ein Gefühl, das sich mit der Zeit einstellt und von dem alle sprechen, die schon länger dabei sind.
Eine Schwerelosigkeit im zunehmend enger werdenden Raum der Großstadt. Oder zumindest die Sehnsucht danach. Um dieses Gefühl möglichst authentisch zu übersetzen habe ich mich mit eigenem Zugang der selben Techniken und Mittel bedient, mit denen auch Traceusen und Traceure an ihren Parkour-Videos fürs Internet arbeiten.
Dokumentarische Aufnahmen werden mit parkourspezifischen Kameratechniken, gezieltem Musikeinsatz sowie Found Footage Material aus dem Internet zueinander in Beziehung gesetzt. Die durch Körpersprache erzählte Collage über das Gefühl einer jugendbewegung wird ergänzt durch Poetry Slammerin Fatima Moumouni und ihr Gedicht, das eine mentale Rückeroberung der Stadt als Lebensraum beschreibt. (Jannis Lenz)
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Schwerelos
2016
Österreich
9 min