Waldszenen
Eine junge Frau in dunkel glänzender Regenmantelhaut ist alleine im Hochwald unterwegs. Später wird sie dort im Gehen ein langes Interview geben. Aus dem Katalog von Entscheidungsfragen, die sie einem jungen Mann und seinem kleinen Aufnahmeteam beantwortet und die politischen und persönlichen Inhalts sind, formt sich das Profil der „Alva Aktivismus“ aus Leipzig. Die einsilbige Akteurin dient als Projektionsfläche und Modell. Eine Frauenstimme aus dem Off bietet eine weitere, facettenreiche (Lebens-)Geschichte an.
Annja Krautgassers Waldszenen bespielt also von Anfang an mehrere Ebenen – und er lässt sich als kleines Kompendium filmischer Ausdrucksformen beschreiben: Er beginnt mit stummen Zeitlupenaufnahmen. Auf statische Landschaftspanoramen folgen eine Plansequenz, horizontale Fahrten, Handkameragänge und Close-Ups, hinter denen der Umraum verschwindet. In knapp einer halben Stunde Dauer spielt der Film
unterschiedliche Genres durch. Waldszenen ist literarischer Essay, (fiktionales) Frauenporträt, Landschaftsstudie und Naturdoku, und er enthält Spurenelemente von Drama, Horror, Mystery.
Das Medium und seine Geschichte werden am Ende auch insofern als Bezugspunkte aufgedeckt, als Krautgasser sich an drei Stellen explizit auf Vor-Bilder bezieht: Die lange Interviewszene wird im Abspann als Reenactment von jener aus Jean-Luc Godards One Plus One ausgewiesen. Die von Ben Pointeker inszenierte Pilgerszene aus Forst von Ascan Breuer, Ursula Hansbauer und Wolfgang Konrad und die Dämonenbeschwörung aus Tropical Malady von Apichatpong Weerasethakul sind die beiden anderen Referenzen. Agnès Hoffmann, die Autorin des Romans "so viele Tage", aus dem die Off-Texte stammen, hat übrigens zu diesem Verfahren passend schon im Leipziger Nachsteller Verlag veröffentlicht.
(Isabella Reicher)
Waldszenen
2015
Österreich
30 min
Avantgarde/Kunst
Deutsch
Englisch