TRAFO
"Mug shot" lautet der informelle englische Begriff für ein Fahndungsfoto, also jene typischen, mutmaßliche Delinquenten streng frontal oder im Profil darstellenden Aufnahmen. Für Paul Horns das menschliche Gesicht in den Fokus stellenden Kurzfilm TRAFO ist das deswegen aufschlussreich, weil "to mug" übersetzt "Grimassen schneiden" heißt, und "mug" sowohl "Trottel" als auch "Fresse", "Visage" – oder österreichisch auch "Gfrieß" bedeuten kann.
Zwischen dem Verbrecher und dem Fratzen schneidenden Narren kippt auch der 12-Minüter Horns von Beginn an: Denn die kriminologisch für das Klassifizieren in ein Schema gepressten Gesichter dreier Männer und dreier Frauen werden bald aufmüpfig. Da gellt ein Schrei, dort blitzt keck eine Zungenspitze hervor, Augen schielen. Ob Posse oder Drama, darüber kann man sich nie sicher sein. Ständig kippt die Stimmung. In den kurzen Einstellungen werden Haare fast zärtlich gebürstet, Zähne geputzt. Aber in diese Szenen der Zuwendung und Pflege mischen sich rasch Gesten, die das Gesicht entstellen, der Lächerlichkeit preisgeben, ihm Gewalt antun. Das Antlitz wird verschnürt, wird dekoriert. Würgen folgt Lachen. Die Indizien sind verwirrend. Was passiert hier? Medizinische Untersuchung? Spaß? Folter? Herrscht Einverständnis? Auch die Musik legt verschiedene Fährten.
"Das Gesicht ist ein Abbild der Seele", erinnert man sich an Cicero und an das alte Ideal, im Porträt den Abglanz des Göttlichen im Menschen, dessen Würde und Größe sichtbar zu machen. Horns Gesichtsbilder sind jedoch weit davon entfernt, Porträts zu sein. Würde ist keine Kategorie mehr. Die Antlitze der Protagonisten transformieren sich, werden immer mehr zur Leinwand, zu Skulpturen, zu Schnitzeln. Statt allein Karikaturen ihrer selbst zu sein, wird der Mensch zum Objekt. Je bedrohlicher und extremer die Behandlungen, umso mehr schwindet das Individuum. Das Gesicht wird zum Sinnbild von Existenz.
(Katrin Feßler)
TRAFO
2014
Österreich
12 min