Double Happiness
Unter double happiness versteht man im chinesischen Raum jenes Glück, das sich automatisch verdoppelt, wenn zwei Menschen beschließen, für immer miteinander zu leben. Ella Raidel hat dieses schöne, optimistische Bild als Titel für ihren ersten langen Dokumentarfilm gewählt. Doch vielleicht sollte man gar nicht von einem Dokumentarfilm sprechen, schon gar nicht von der handelsüblichen Globalisierungs-Doku, denn es handelt sich vielmehr um einen sehr klugen, pointierten und vor allem mit viel Einfühlungsvermögen und Gespür gestalteten filmischen Essay.
Ausgehend von der viel publizierten, aber eher banalen Tatsache, dass "die Chinesen" in der Nähe der Freien Wirtschaftszone Shenzhen die oberösterreichische Touristenattraktion Hallstatt, oder zumindest Teile davon, quasi maßstabgetreu nachgebaut haben, wirft Raidel einen sehr präzisen Blick auf das heutige China, völlig unbeeindruckt von den beiden Gegenpolen des aktuellen westlichen China-Bildes, das zwischen atemloser Bewunderung für das "Wirtschaftswunderland" und platter Kritik an den "politischen Verhältnissen" wenig Spielraum lässt. Dank eigener kluger Beobachtungen und mit Hilfe hervorragend ausgewählter GesprächspartnerInnen, vornehmlich aus den Bereichen Architektur und Stadtplanung, entsteht das Panorama eines Landes an einem heiklen Punkt seiner politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.
Wie jeder gute Film wirft auch dieser mehr wichtige Fragen auf, als er beantwortet – wie die nach dem Verhältnis von Tradition, Moderne und Zukunft, zwischen realen Gegebenheiten und spätkapitalistischen Träumen, zwischen notwendigem Fortschritt und der Bewahrung einer intakten Umwelt. Double happiness würde wohl auch darin bestehen, diese zum Teil recht heftig klaffenden Gegensätze miteinander zu "vermählen". (Andreas Ungerböck)
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Indiewire: 8 Great Documentary Discoveries from Hot Docs 2015 (Kritik)
"Double Happiness"
Another fascinating and surreal examination of China´s hyper-capitalistic rush into the extreme reaches of postmodernity, this highly composed documentary looks at the replication of a scenic Austrian town named Hallstatt — cobblestone by cobblestone — in an undeveloped track of land in China. With a wry point of view and a playful blending of filmmaking modes, where it´s difficult to distinguish between real and imagined, the film raises thought-provoking questions about the nature of authenticity, creativity, and happiness.
see entire article:
http://www.indiewire.com/article/8-great-documentary-discoveries-from-hot-docs-2015-20150504
Original und Kopie im Film vereint, von Nora Bruckmüller, OÖN, 25.04.2014 (Artikel)
Nachdem der kecke Schachzug 2011 öffentlich wurde, hinterließ er in Oberösterreich zuerst einen Sturm der Entrüstung, gefolgt von einer Heerschar Journalisten aus aller Welt, die über die inzwischen fertig gebaute Kopie berichteten.
Inzwischen ist die vermeintliche Plage zum Glücksfall geworden – für beide Regionen. Filmemacherin Ella Raidel aus Gmunden eröffnet das heute startende "Crossing Europe Filmfest" in Linz mit einem Werk, das auf respektvolle Weise der Verbindung und dem Austausch zwischen dem Original im Salzkammergut und der asiatischen Kopie nachspürt. "Ich wollte in ´Double Happiness´ jener Sehnsucht nachgehen, die überhaupt dazu führt, eine solche Stadt in China nachzubauen", erklärt Raidel im OÖN-Gespräch.
Nach drei Jahren harter Arbeit denkt die Absolventin der Linzer Kunstuni (Meisterklasse Metall), dass mit dem Projekt in Asien der Wunsch nach einem Eintauchen in eine verehrte, aber auch fremde Kultur gestillt werden kann. "Die Frauen ziehen sich etwa ein Dirndl an, stellen sich vor eine Kulisse und können für einen Tag lang Österreicherinnen sein." Für Raidel, die über experimentelle Video-Arbeiten zum Langfilm gefunden hat, hat das echte Hallstatt immens von der internationalen Aufmerksamkeit im Zuge des Nachbaus profitiert.
Der Titel ihres Films, "Double Happiness", auf Deutsch: doppeltes Glück, reflektiert den gegenseitigen Nutzen. "In China steht doppeltes Glück für die Hochzeit. Es wird stärker, weil man es teilt."
Die "Vermählung der Kulturen" hat Raidel, die seit mehr als zehn Jahren auch in Taiwan lebt, in dokumentarischem Stil eingefangen. Dabei spielt sie sehr gewitzt mit den Fragen, die Original und Nachbau ständig begleiten: Was ist echt? Was ist falsch? Hört man im Film etwa ein Blasmusik Quartett" spielen, während die Kamera über den Marktplatz gleitet, muss man genau hinschauen, um zu erkennen, dass es sich doch nicht um das echte Hallstatt handelt, sondern um ein Modell von Bühnenbildner Siegwulf Turek. Raidel macht es einem damit herrlich einfach, über die Ernsthaftigkeit zu schmunzeln, mit der man Traditionen und Heimat auf einen Sockel stellt.
Crossing Europe: Nächstes "Double Happiness"-Screening: Di., 29. 4., 18 Uhr; mehr zum Filmfest heute im "was ist los?" (S. 13), Infos: www.crossingeurope.at
Double Happiness
2014
Österreich, China
74 min