Homeless New York 1990

Homeless New York 1990 ist ein Recut der beiden zusammengehörigen 16mm-Filme Black/White aus dem Jahr 1990 in digitalisierter Form.
Homeless thematisiert die in den 80er Jahren in den amerikanischen Städten – und da vor allem in New York – sichtbar gewordene Armut, die damals noch vorwiegend die farbige Bevölkerung betraf. Die Zerschlagung sozialer Einrichtungen nach dem Diktat des Neoliberalismus setzte Obdachlosigkeit, Drogenhandel und Kriminalität in bedrohlichen Ausmaßen frei und verlangte andere Antworten als Abgrenzen aus Angst und Wegschauen aus Hilflosigkeit.
Der Recut des Materials von Black/White im Jahr 2013 verweist auf dessen anhaltende Dringlichkeit: Gerade weil einstige „problem districts“ wie Harlem heute im vermeintlichen Schein der Gentrifizierung glänzen, "bedarf es der Sprache, um das Ausgeschlossen sein der Armut, das sie im Bewusstsein der Öffentlichkeit bis zur Nichtexistenz reduziert, aufzuheben" (Hans Scheugl).

Homeless ist aber - wie schon sein Ausgangsmaterial Black/White – auch ein Metafilm, der einen Kommentar liefert über das Machen von Dokumentarfilmen. Scheugls Hintergrund als formaler Filmemacher spielt dabei eine tragende Rolle. In einer sehr langen Fahrt um den Tomkins Square Park etwa, wo sich Obdachlose versammeln und aufhalten, geht es nicht um Individuen, und es spielt keine Rolle, wer sich nun eigentlich in der ‚soup line’ anstellt. Der Platz wird nur als Raum behandelt. Die durchgehende Bewegung sagt etwas über die Funktion des Platzes, was mehr ist als die bloße Information, dass sich hier Obdachlose aufhalten. Die Art, wie Menschen sich umeinander bewegen, hat ihre Entsprechung in der kreisenden, voyeuristischen Kamera. Der Ort wird fühlbar gemacht.
„Der fremde Blick, der sich ein Abbild aneignet, ist ein Angriff auf den manchmal letzten Besitz“, problematisiert der Off-Kommentar den aktiv verübten visuell­dokumentarischen Diebstahl. Film als Kontroverse.


kurz:
New York 1990: Obdachlosigkeit, Drogen, Kriminalität. In
Black/White hat der Filmemacher Hans Scheugl das öffentliche Sichtbarwerden von Armut auf 16mm-­Film gebannt. Der digitale Recut des Materials, Homeless New York 1990, verweist auf dessen anhaltende Dringlichkeit: Gerade weil einstige „problem districts“ wie Harlem heute im vermeintlichen Schein der Gentrifizierung glänzen, bedarf es „der Sprache, um das Ausgeschlossensein der Armut, das sie im Bewusstsein der Öffentlichkeit bis zur Nichtexistenz reduziert, aufzuheben“
(Hans Scheugl)

Weitere Texte

Gertjan Zuilhof: Neues Leben in einer alten Disziplin, in: Skrien, Okt.-Nov. 1993, Amsterdam. (Artikel)

Hans Scheugl
Homeless New York 1990
Recut der beiden Filme Black / White von 1990 (AT 2013, DCP, 18 min)

Der erste Obdachlose verlangt ein paar Dollar für seinen Auftritt vor der Kamera. Scheugl gibt sie ihm und erzählt davon zu diesen Bildern. Dadurch durchbricht er direkt ein dokumentarisches Tabu. Sein Obdachloser ist ein bezahlter Akteur geworden und Scheugl ein Beobachter, der in die Welt vor der Kamera eingreift.

White ist ein Metafilm, der einen Kommentar liefert über das Machen von Dokumentarfilmen. Scheugls Hintergrund als formaler Filmemacher spielt in White eine Rolle. In einer sehr langen Fahrt um den Tomkins Square Park, wo sich Obdachlose versammeln und aufhalten, geht es nicht um Individuen, und es spielt keine Rolle, wer sich nun eigentlich in der ‚soup line’ anstellt. Der Platz wird nur als Raum behandelt. Die durchgehende Bewegung sagt etwas über die Funktion des Platzes, was mehr ist als die bloße Information, dass sich hier Obdachlose aufhalten. Die Art, wie Menschen sich umeinander bewegen, hat ihre Entsprechung in der kreisenden, voyeuristischen Kamera. Der Ort wird fühlbar gemacht.

Diese nicht-dokumentarische Sichtweise ist auch sehr zutreffend bei einem Gespräch zwischen drei Schwarzen, die nicht, wie man es gewohnt ist, interviewt werden. Scheugl filmt wie zufällig ihr Gespräch, aber es ist auch nicht so, dass die Männer sich der Kamera nicht bewusst wären. Sie reden über das Schlafen in den U-Bahnen und in den ‚shelters’, den Obdachlosenheimen, die wegen der Aggression, die dort herrscht, lebensgefährlich sind. Ihr Körperausdruck sagt mehr als die Geschichten, die sie erzählen. Gerade durch das Vermeiden der Interview-Form entsteht ein Reichtum an sekundärer Information.

Auf der einen Seite kommen einem diese Bilder sehr vertraut vor aus anderen Reportagen: es ist die bekannte Geschichte von der Armut im reichen Amerika. Aber dadurch, dass Scheugl diese Bilder auf eine formale Weise bringt, unterscheidet er sie von dem, was wir gewohnt sind, wird sein Film ausgesprochen persönlich.
Orig. Titel
Homeless New York 1990
Jahr
2013
Land
Österreich
Länge
18 min
Regie
Hans Scheugl
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Englisch
Credits
Regie
Hans Scheugl
Konzept & Realisation
Hans Scheugl
Kamera
Jeff Hirschhorn
Musik
Ulf Langheinrich
Ton
Thomas Szabolcz
Produktion
Hans Scheugl
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Festivals (Auswahl)
2014
Graz - Diagonale, Festival des Österreichischen Films
2015
Wroclaw - WRO-International Media Art Biennale