Zement
Eine Fähre durchkreuzt einen See, untermalt von einer Symphonie Gustav Mahlers. Der Anfang von Zement signalisiert Heimatfilm, doch Bettina Nürnberg und Dirk Peuker verfolgen mit ihrem dokumentarischen Essay ein anderes Ansinnen. In den auf den ersten Blick idyllischen Landschaftsbildern aus dem Salzkammergut legen sie Spuren der NS-Vergangenheit frei. Nur sparsam, ein wenig schamhaft scheint eine offizielle Erinnerungskultur darauf zu verweisen, sodass die entsprechenden Zeichen in den Bildern schwer auszumachen sind.
In Ebensee wurde von den Nationalsozialisten ein Konzentrationslager errichtet. Nürnberg und Peuker fragen sich, welche Rückschlüsse die Topographie auf den Umgang mit Vergangenheit erlaubt. Die Aufnahmen bleiben statisch, nur eine Frauenstimme steuert aus dem Off im nüchternen Tonfall Informationen bei, welche den zeitgeschichtlichen Kontext verdeutlichen. So entpuppt sich ein Ort, der wie ein Waldweg aussieht, als „Löwengang“, auf welchem die KZ-Gefangenen gleich Tieren zu einem auszuhebenden Stollen getrieben wurden.
Verwunderung über Mangel an Sensibilität im Umgang mit der Vergangenheit mischt sich in den Off-Kommentar, sobald der Film zur Siedlung wechselt, die an der Stelle des Konzentrationslagers bereits kurz nach Kriegsende begründet wurde. Das Eingangstor zum KZ steht heute als Mahnmal da. Geht man hindurch, gelangt man zu den Häusern, die auch eng am Opferfriedhof liegen. Die Nähe zwischen der Gedenkstätte und der Siedlung, darauf will Zement hinaus, ist zwiespältig: In den Bildern herrscht Stille, kaum ein Mensch ist zu sehen, und doch erfährt man von Gedenkfeierlichkeiten, die vom Lärm der Rasenmäher gestört wurden. Alltag an einem Ort, der jeden Alltag deplatziert erscheinen lässt – oder schon ein Akt der Ignoranz?
(Dominik Kamalzadeh)
Der Film Zement setzt sich mit der Vergangenheit und Gegenwart einer Wohnsiedlung auseinander, die unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers errichtet wurde. Wasserleitungen, Kanalisation und das Straßensystem des Lagers wurden übernommen. Materialien teilweise verbaut. Der erhaltene Torbogen des Lagertores führt noch heute in die Häusersiedlung.
(Synopsis)
director´s statement
Zement
2014
Österreich, Deutschland
12 min 30 sek
Dokumentarfilm
Deutsch
Englisch