Marzenka
Als Marzenka ins Haus von Mareks Mutter zieht, fühlt sich dieser von seiner polnischen Cousine in die Enge getrieben – er, der Studienabbrecher, von ihr, der ambitionierten Medizinstudentin. Erst nach dem gemeinsamen Zechprellen in einem Restaurant scheinen seine subtilen Machtspiele, das kontrollierte Hin- und Weghören temporär an Bedeutung zu verlieren. Doch jedes Spiel hat mehrere Sätze. Und Marek bleibt getriebener Sieger und Besiegter zugleich.
(DAS FILMFEST-Katalog, 2014)
Mit mechanischer Regelmäßigkeit schlägt Marek den Pingpong-Ball gegen die aufgestellte Tischtennistischplatte – ein Spiel mit und gegen sich selbst als Leitmotiv von Albert Meisls Marzenka: Vom Fenster seines Kinderzimmer-Refugiums aus beobachtet Marek das Eintreffen seiner polnischen Cousine. Marzenka soll hier studieren. Das weiß der 28-Jährige, als er den Eindringling im Gespräch mit seiner Mutter belauscht. Sie kommunizieren zweisprachig. Marek tut das mit einem lakonischen Satz ab: „Ich bin Österreicher!“
Neben den lapidaren Dialogen ist auch das gegenseitige Beobachten und Kommentieren virulent: Das bewusste Hin- oder Weghören konstituiert ein vielschichtiges Beziehungsgefüge, innerhalb dessen einander zugeworfene Blicke die vorsorglich angelegten Schutzpanzer der Charaktere nach und nach durchdringen. Diese zwischenmenschlichen Schwellen artikulieren sich formal auch in der Kadrierung durch Tür- oder Fensterrahmen.
Der pochende Erzählrhythmus ergibt sich aus der unentwegt fortschreitenden, elliptischen Narration. Als Marek und Marzenka ohne zu bezahlen aus einem Restaurant flüchten, schlägt die Handlung um, greift Marek hier entgegen seiner Aussage nun doch auf die polnische Sprache zurück. Das Scheitern des Versuchs, sich von seinen Wurzeln zu lösen, ist zugleich ein unbewusstes Eingeständnis. Denn just nach diesem Ereignis nähern sich die vormaligen Gegenspieler einander an. Bislang unbekannte Charaktereigenschaften treten ebenso wie eine Verschiebung der Machtverhältnis zutage: Marek beansprucht Marzenka nun für sich, will Kontrolle. Denn nur als Patriarch kann er kurzfristig aus seiner Unfähigkeit und Apathie ausbrechen.
Marzenka endet mit einer Totalen. Dazu montiert: das allgegenwärtige rhythmisch-monotone Klackern des Tischtennisballes.
(Matthias K. Heschl)
Marzenka
2013
Österreich
25 min