Tokyo
20 Sekunden feinmetallische rituelle Perkussion, als Vorspiel gesetzt, sind das Leitmotiv dieses Films. Der hypnotische Klang wird wiederkehren, immer wieder. Dazwischen: Stille. Der Brehm’sche Röntgenblick prägt auch diesen Film: Das Negativbild eines androgynen Gesichts, in Zeitlupe bewegt, bildet die visuelle Eröffnung – weiße Augenhöhlen, schwarze Pupillen. Eine Performance findet statt, ein athletischer Akt, lautlos, aber wild bewegt: Ein Körper schießt durchs Bild, die Heftigkeit des Ablaufs wird durch die Verlangsamung nur noch betont. Tokyo ist eine Reise ins Kaiserreich von Schwarz und Weiß und five-hundred shades of grey. Blendend weiß strahlen einem die Augen einer asiatischen Frau entgegen. Es tauchen andere Gesichter, andere Körper auf, alle mit schwarzer Haut und weißen Schatten. Eine Welt jenseits des Spiegels öffnet sich, in gespenstischer Ruhe. Tokyo ist ein Körper- und Gesichterfilm, dabei vollkommen immateriell: Lebende Masken starren einander an, die untoten Augen kaum bewegt. Fast unmerklich wellt sich das elektronische Bild, treibt ein unerklärlicher innerer Puls über die Oberflächen des Films: Alles flimmert, pulsiert, verschwimmt, als Nebeneffekt des Abfilmens und der Detailvergrößerungen. Interagierende, ineinander gespiegelte Leiber räkeln sich vor einer schläfrig bewegten Kamera. Schwarzer Rauch dringt aus einem Männermund, sehnende, tastende Bewegungen werden vollzogen, Gesten, deren Sinn und Ziel nicht immer auszumachen sind. Die Androhung (und Anwendung) von Gewalt löst tonlose Schreie aus. Der undurchschaubare Blick der Maskenmenschen bleibt. Die Ekstase ändert nichts. Die Gleichförmigkeit ist die Basis der Schönheit. Trance as trance can.
(Stefan Grissemann)
Die Found-Footage-Szenen für Tokyo destillierte ich aus dem Super8-Porno der 70er Jahre "Tokugawa III - Im Rausch der Sinne - Die Nymphomanin Chise". [...] ein gleitend pulsierender, gleichsam hypnotischer Bilderschub der mysteriösen Körperfragmente und der verschatteten Gesichter, forciert durch den minimalistischen und metrischen Sound.
(Dietmar Brehm)
Tokyo
2013
Österreich
10 min