trespass
Trespass“ bedeutet im Englischen „Übertretung“, aber auch „unbefugtes Eindringen“ bzw. im juridischen Jargon „Hausfriedensbruch“. Paul Wenningers zehnminütige Real-Animation trespass spielt mit all diesen Bedeutungen – in einer technisch beeindruckenden, abwechslungsreichen und pointierten Tour de force. Durchgängiges Element ist eine Art Avatar des Regisseurs, eine aus Realbildern animierte Figur, welche der Film gleichsam auf Weltreise in den eigenen vier Wänden schickt. Das Eindringen der Außerwelt verläuft dabei ebenso abrupt wie wechselhaft: Scheint die merkwürdig inerte, ruckartig bewegte Hauptfigur zunächst im kahlen Verließ einer grün gestrichenen Zelle isoliert, so werden dieser „Monade“ – um die Terminologie des Philosophen Leibniz aufzugreifen – alsbald Fenster eingesetzt. Ein wilder Überschreitungsprozess kann beginnen. Nicht nur taucht in dem Zellenfenster mit einem Mal eine Überfülle an „Welt“ auf, sondern der gesamte Hintergrund, von dem sich die Figur abhebt, wird mit üppigen Bildern distantester Schauplätze in Eritrea, Brüssel, Helsinki, Wien und Frankreich aufgefüllt. Die „Backdrops“ wechseln und purzeln ineinander, wie per Mausklick, wiewohl dem durchwegs statuarischen Protagonisten dadurch kaum ein Halt geboten wird. Zwar laviert und hantiert er sich durch ein endlos anmutendes Sortiment an Alltagsgegenständen, und doch bleibt er gefangen in seinem zellenartigen Dasein. Am Ende muss er seinem eigenen Tod und langsamen Ausbluten – Farbe, die zu Blut und wieder zu Farbe mutiert – beiwohnen. Der „Einbruch“ von außen erfährt so eine paradoxe Wendung: Nicht die Welt, ein anderes Leben, eine fremde Macht ist plötzlich im Hier und Jetzt spürbar, sondern die eigene Lebendigkeit wird mit Fortdauer des Films – bei aller Animiertheit und Bewegtheit – immer mehr „entäußert“. Und so macht trespass eine gewiefte, visuell betörende Subjekt-Objekt-Verkehrung geltend – ein Hinaus-, ja Über-sich-Hinausgehen, das man die längste Zeit als Einfall von außen wahrzunehmen glaubt.
(Christian Höller)
Lobende Erwähnungen One Day Animtion Festival 2012 (Preis (Auszeichnung))
Begründung: Lisa Neumann
Es sind ungeheure Distanzen, die der Protagonist in entschleunigtem Tempo zurücklegt, Grenzen, die ohne Pass passiert werden, während die globalisierte Welt
an ihm vorbeirast, während die Räume - ganz analog - ineinandermorphen. Das ist, was nur der Animationsfilm kann. Und dass Paul Wenninger auf seiner Reise einer
genialen und in der Machart ungeheuer aufwändigen Pixilation-Choreographie und Farbdramaturgie folgt, muss unbedingt mit einer lobenden Erwähnung bedacht werden.
trespass
2012
Österreich
11 min