Richtung Nowa Huta

Jugendliche drehen mit ihren Autos Kreise auf einem stillgelegten Industriegelände. Ein frischvermähltes Ehepaar lässt sich in den verfallenen Baracken einer Fabrik fotografieren. Der Touristenführer fährt Besucher mit einem Trabanten durch die Stadt und erläutert ihnen Schauplätze der Auseinandersetzungen von 1989. Drei Szenen aus Dariusz Kowalskis Dokumentarfilm Richtung Nowa Huta, die dessen Ausrichtung trefflich veranschaulichen: Gegenwart und Geschichte bilden keine zwei voneinander getrennten Schichten, sondern durchdringen und kommentieren sich wechselseitig. Der Film muss keine direkte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit suchen, denn diese wird hier wie von selbst zum Thema – als wäre sie ein Requisit des Ortes, an dem man früher oder später ohnehin vorbeikommen muss.
Kowalski verließ die polnische Stadt Nowa Huta, die heute zu Krakau gehört, als Jugendlicher auf der Flucht und kehrt nun zurück, um sich ein Bild eines Ortes zu machen, den er, wie er selbst sagt, eigentlich kaum kannte. Entsprechend nüchtern fällt sein Blick auf die Stadt aus, die als Stätte der Stahlproduktion in der Wendezeit eine bedeutende Rolle spielte. Der Filmemacher, obgleich manchmal selbst vor der Kamera zu sehen, verzichtet auf subjektive Phrasierungen, er klaubt Eindrücke, Bilder (auch alte Aufnahmen), Erinnerungen von Arbeitern, von einem Künstler auf, dazwischen sind immer wieder Alltagsmomente vom Sozialleben der Stadt zu sehen. Statt Menschen, die zur Nostalgie neigen, filmt Kowalski bevorzugt solche, die mit dem einmal Gewesenen auf ungezwungene Weise umgehen (oder deren Erinnerung noch gar nicht lang genug zurückreicht): Richtung Nowa Huta ist ein Stadtporträt, das sich im besten Sinn als zeitgenössisch versteht, ein Film über das Hier und Jetzt (und seine vielen Vorgeschichten).

(Dominik Kamalzadeh)

Orig. Titel
Richtung Nowa Huta
Jahr
2012
Land
Österreich
Länge
78 min
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Verschiedene
Untertitel
Englisch
Credits
Regie
Dariusz Kowalski
Konzept & Realisation
Dariusz Kowalski
Kamera
Martin Putz
Schnitt
Dieter Pichler
Ton
Mariusz Wawrze
Tonmischung
Sabine Maier
Tonschnitt
Gailute Miksyte
Produktion
Medienwerkstatt Wien
Produzent*in
Manfred Neuwirth
Mit Unterstützung von
Wien Kultur, bm:ukk
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,85
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Blu-ray (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,78
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2012
Linz - Crossing Europe Film Festival
Jihlava Documentary Film Festival
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films (Bester Dokumentarfilm)
Duisburg - Duisburger Filmwoche
Kassel - Dokumentarfilm- & Videofest
Lima - Peru Int. Short Film Festival
2013
Washington - National Gallery of Arts shows "Sixpack: The Austrian Experiment"